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Brillantes Konzert des Ensembles „Seicento vocale“ in St. Sebastian

Eintauchen in die Welt Monteverdis

Münster-Nienberge

Sturmschäden in Altenberge waren der Grund dafür, dass es in der Nienberger St.-Sebastian-Kirche ein exquisites Konzert mit fast 400 Jahre alter Musik gab.

Von Christoph Schulte im Walde

Zog beim Auftritt in der Nienberger St.-Sebastian-Kirche alle Register seines Könnens:das Ensembles „Seicento vocale“. Foto: e

Die Kunst leidet unter Corona. Und jetzt auch noch unter „Zeynep“, dem Orkantief. Denn eigentlich hätte das Ensemble „Seicento vocale“ am Sonntag in St. Johannes Baptist in Altenberge auftreten sollen. Doch Sturmschäden an der Kirche machten es von heute auf morgen notwendig, eine „Ausweichspielstätte“ zu suchen. Gefunden wurde sie in Nienberge. Und so kam das dortige Publikum in St. Sebastian in den Genuss, exquisite Musik erleben zu dürfen, die schon bald 400 Jahre alt ist.

Aber was heißt „alt“? Claudio Monteverdis Madrigale geistlicher und weltlicher Art klingen selbst in den Ohren der Menschen des 21. Jahrhunderts noch genauso lebendig und frisch wie einst. Vorausgesetzt, sie werden so nobel und professionell gestaltet wie von „Seicento vocale“, dem Ensemble um Alexander Toepper und Jan Croonenbroeck, das sich nun schon seit rund sechs Jahren just mit dieser sehr speziellen Musik der Renaissance beschäftigt. Das hinterlässt Spuren und führt zu einem Klangerlebnis ganz besonderer Qualität.

Wie zu Monteverdis Zeiten

Gespielt und gesungen wird so, wie man es zu Monteverdis Zeiten (vermutlich) tat: Klarheit und Strenge in der Tongebung der Sängerinnen und Sänger, schnörkellose Führung der Streichinstrumente nebst Laute, Orgel und Cembalo. Wie viele Emotionen damit geweckt werden können, wie viel Ausdruckspotenzial zu mobilisieren ist, machten die klug zusammengestellten Madrigale aus dem Zyklus „Selva morale e spirituale“ schlagend deutlich.

Vorbildlich und musikalisch betörend

Monteverdi, der berühmte Meister von Venedigs Markusdom, verstand es auf geradezu geniale Weise, Text und Musik symbiotisch miteinander zu verschmelzen. Da stehen heftig bewegte Koloraturen neben ruhigen und choralartigen Abschnitten, wechseln sich bebende Gefühle der Angst ab mit solchen von Vertrauen und Zuversicht. Der Lobpreis der Ewigkeit Gottes wird angestimmt, aber auch an den unausweichlichen Tod des Menschen gemahnt. Sich in all diese Tiefendimensionen der Musik hinein zu versenken – dies gelingt „Seicento vocale“ ganz vorbildlich und musikalisch betörend.

Herzzerreißend und aufwühlend

Alle sechs Stimmen von Sopran bis Bass agieren als Solisten, zusammen ergeben sie einen runden, sehr homogenen Ensembleklang. Und zwischendurch immer wieder Duette, Trio-Formationen, Quartette – und in dem „Klagegesang der Maria“ unterm Kreuz Jesu ein ergreifendes Solo, herzzerreißend und aufwühlend zugleich.

Man fragt sich, weshalb junge Leute in diese uralte Musik und die von ihr transportierten Texte Zeit und Energie investieren. Die Antwort fällt leicht: Weil damit eine zeitlose Botschaft vermittelt wird. Monteverdi schöpft am Ende seines Lebens aus dem Vollen. Ihm stehen alle Mittel der Kunst des Musizierens zur Verfügung, weil er sie wie kaum ein Zweiter beherrscht. „Seicento vocale“ taucht mit Haut und Haar ein in diese Welt und schlägt so die Brücke ins Heute. Grandios!

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