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Beilattacke auf Ex-Freundin: Angeklagter schweigt

„Ich dachte, ich muss um mein Leben rennen“

wn

Münster - Er soll sturzbetrunken gewesen sein, als er am 12. März 2011 in den Keller der münsterischen Raphaelsklinik eindrang und dort seine frühere Lebensgefährtin mit einem Beil am Arm und an der Schulter verletzte – im Vorsatz, sie zu töten. Die Frau soll daraufhin ins Treppenhaus geflüchtet und dort von ihm erneut attackiert worden sein. Nur das Eingreifen zweier Zeugen habe Schlimmeres verhindert. Zu diesem Vorwurf der Staatsanwaltschaft mochte sich ein 45-jähriger Mann aus Coerde beim Prozessauftakt vor dem münsterischen Landgericht nicht äußern. Wohl aber schilderte Emmanuel B. seinen Lebenslauf in Liberia, wo er als Sohn einer Einheimischen und eines Deutschen geboren wurde und in zerrütteten Verhältnissen aufwuchs. Seinen Angaben zufolge war sein Vater Alkoholiker, er selbst wurde später bei einem Fluchtversuch aus dem vom Bürgerkrieg erschütterten Land von Rebellen verletzt. Seine Ehefrau und drei seiner Kinder seien beim Untergang eines Flüchtlingsbootes vor seinen Augen ums Leben gekommen. Daraufhin suchte B. zunächst Asyl in Belgien und Holland und kam wenig später nach Deutschland, wo er zunächst in Datteln lebte und das spätere, heute 29-jährige Opfer kennenlernte. 2006 wurde der gemeinsame Sohn geboren, 2007 zog B. nach Münster und trennte sich ein Jahr später von seiner Lebensgefährtin. Während dieser Zeit habe er viel Alkohol getrunken. Wie der Richter am Donnerstag sagte, seien Streitigkeiten um das Besuchsrecht für den gemeinsamen Sohn Hintergrund für die Beilattacke gewesen. Eine psychiatrische Gutachterin beleuchtete am Donnerstag die komplizierte Beziehung des Angeklagten zum späteren Opfer, das aus Simbabwe stammt. Der Vater sei es gewesen, der sich allein um das gemeinsame Kind gekümmert habe, während sie sich mit ihren Freundinnen herumtrieb. Zwischenzeitlich entzog ihm die Frau den Sohn, betrog ihn mehrfach und trennte sich zeitweise von ihm. Während all dieser Eskalationen habe B. sehr viel getrunken und sei auch an seinem Arbeitsplatz in der Raphaelsklinik betrunken erschienen, wo er als Küchenhilfe und seine Ex-Freundin als Reinigungskraft tätig waren. Am Tatmorgen schließlich gab es eine heftige Auseinandersetzung zwischen dem Paar im Erdgeschoss der Klinik, woraufhin B. sich eine Feuerwehraxt griff und unter seiner Kleidung versteckte. Der Gutachterin zufolge habe der Angeklagte das Opfer damit lediglich erschrecken wollen. Als die Frau sich an ihm vorbeidrängte, habe sie sich selbst an der Axt geschnitten. Keinesfalls habe er damit nach ihrem Kopf geschlagen, so B., lediglich die Frau gefragt: „Do you want to be killed?“ Der Richter äußerte Zweifel an dieser Schilderung – „bei den vorliegenden Verletzungen hätte die Frau ja dreimal in das Beil laufen müssen.“ Ein Polizeibeamter schilderte am Donnerstag, dass zwei Zeugen im Keller der Klinik dazwischengegangen seien – und wie er selbst nach der Tat das Feuerwehrbeil beschlagnahmt hatte. Das Opfer sei nur leicht verletzt gewesen, Blutspuren habe es keine gegeben. Ein zweiter Polizist hatte das Opfer vernommen, das am Donnerstag ebenfalls vor Gericht erschien. Die Frau sagte aus, ihr Ex-Freund sei krankhaft eifersüchtig gewesen und habe sie während der Beziehung mehrfach geschlagen – bis ein Hausverbot gegen ihn ausgesprochen wurde. „Wenn er Alkohol trinkt, und damit fängt er schon morgens an – dann wird er aggressiv, und das ist nicht gut für mein Kind, das ist kein gutes Vorbild“, sagte die 29-Jährige gestern. Sie habe sich schließlich von ihm getrennt und darauf bestanden, dass der Vater den Jungen nur sehen dürfe, wenn er nicht betrunken sei. Auch am Tatmorgen hätten sie über seine Trunksucht gestritten, die ihn jegliche Würde und Kontrolle verlieren lasse – und darüber, ob der Vater den Jungen übers Wochenende nehmen dürfe. Als B. in der Raphaelsklinik auftauchte, sei er sturzbetrunken gewesen und habe plötzlich das Beil mit den Worten „Ich habe ein Geschenk für dich“ aus dem Hosenbund hervorgezogen. Die 29-Jährige sei daraufhin schreiend davongelaufen, auf der Kellertreppe holte er sie ein und schlug mit der Axt nach ihrem Nacken oder Kopf. Letzlich traf er sie am Arm. „Ich dachte, ich muss um mein Leben rennen – und das war, was ich tat.“ Den Frauen, die versuchten, ihn festzuhalten, hätte er gesagt: „Lasst mich, ich möchte sie umbringen.“ Daraufhin habe sein Chef B. festgehalten. Wer ihm schließlich die Axt abgenommen habe, könne sie nicht sagen. Sie selbst habe sich in einem Raum in Sicherheit gebracht und eingeschlossen, sagte die Frau aus. Sie habe Verletzungen am Kopf, am Arm und am Bein davongetragen, das Gericht nahm am Donnerstag ihre Narben in Augenschein. „Natürlich“, antwortete sie abschließend auf eine Frage des Staatsanwalts, „hatte ich an diesem Tag Angst um mein Leben.“

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