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Gas in greifbarer Nähe

Methan kommt von selbst an Oberfläche - "Nicht abfackeln, sondern nutzen"

Stefan Werding

Ascheberg/Hamm - Exxon will bis zu 2000 Meter tief bohren, um Schiefergas zu fördern, nimmt wütende Bürgerproteste und aufwendige Genehmigungsverfahren in Kauf. Und an anderen Stellen sucht sich Methan- und Flözgas still und leise seinen Weg an die Oberfläche des Münsterlands.

„Wir haben reichlich Gas“, vermutet Wilhelm G. Coldewey, 67-jähriger emeritierter Geologie-Professor der Uni Münster, der sich „seit 60 Jahren mit Gas beschäftigt“, wie sein ehemaliger Mitarbeiter Dr. Christian Melchers sagt.

Coldewey kennt alle möglichen Stellen, an denen Gas aus dem Boden dringt. Stiekum nimmt es Pflanzen die Luft zum Atmen, sodass der Kenner sieht, wo sich das Gas seinen Weg nach oben sucht. Meistens handelt es sich dabei um Methangas, das Bakterien unter der Erdoberfläche bilden und das sich unhörbar, unriechbar und unschmeckbar an die Luft schleicht.

Coldewey weiß von Landwirten zu berichten, bei denen Flammen aus dem Wasserhahn schossen, weil sich das Gas in ihre Brunnen geschlichen hatte. „Denen ist der Hut vom Kopf geflogen. Die hatten die Zigarre noch im Mund und wussten nicht, was passiert ist“, erzählt Melchers (33). Coldewey weiß es: Rund 50.000 Haushalte in Münsterland haben eigene Brunnen, aus denen sie ihr Wasser schöpfen.

Und viele von ihnen führen nicht nur Trinkwasser, sondern auch Gas. Das kann sich in den Druckbehältern sammeln, die eigentlich das Wasser durch die Leitungen ins Haus schicken sollten. Das hat gleich mehrere Folgen: Im schlimmsten Fall kann sich das Gas entzünden und lebensgefährliche Unfälle verursachen. „Zum Glück ist das noch nicht passiert“, sagt der Geologie-Professor. In Lünen etwa seien in den 80er und 90er Jahren brennende Felder eine Attraktion und beliebter Ort für Partys gewesen, erzählt der Wissenschaftler. Damals sei das Methangas in Brand geraten und habe über Jahre in Flammen gestanden.

Auch über den Kohlenabbaugebieten bahnt sich das Gas seinen Weg nach oben. Aber auch aus größeren Tiefen kann sich steinkohlengebundenes Flözgas den Weg nach oben suchen - etwa wenn in Kohlenabbaugebieten die Erde nachgibt und so den Weg für das Gas freigibt. Aber auch für die Umwelt ist das Methangas eine Gefahr. Es ist für die Ozonschicht 21 Mal schädlicher als CO², erklärt Melchers. Allein durch das Verbrennen ließe sich der Klimaschutz deutlich verbessern. „Das ist den Schweiß der Edlen wert“, sagt der 33-Jährige.

Noch besser, es würde genutzt: Etwa in Blockheizkraftwerken, die aus einem Gemisch Strom produzieren kön­nen, in dem nur 30 Prozent Methan enthalten sind. All das hat bislang keine Behörde veranlasst, die Geologen bei der Nutzung der Gase zu unterstützen. „Da würde ich mir mehr Engagement wünschen“, sagte Coldewey. Selbst Messungen, die klären sollen, wo wie viel Gas aus dem Boden strömt, hat es nicht gegeben.

Trotzdem wäre es für Coldewey ein „charmanter“ Gedanke, so ohne große, zentrale Kraftwerke Energie zu gewinnen. Also: Nicht Atom- oder Kohlenkraftwerke produzieren Strom, sondern viele kleine effektive Einheiten, die alle möglichen Quellen anzapfen. Jedenfalls sei viel zu lange Gas abgefackelt worden, anstatt es zu nutzen, meint der Wissenschaftler.

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