Koalitionsgespräche: Gedankenspiele zum künftigen Kabinett

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Dienstag, 05.10.2021
Die Koalitionssondierungen in Berlin laufen auf Hochtouren – noch immer sind mehrere Bündnisse möglich. Wir schauen auf die Personen, die hinter den Kulissen für ein Ministeramt im Gespräch sein könnten. Und überlegen, wer sich für das Amt am besten eignet – und aus welchen Gründen.
Foto: IMAGO/Michael Gottschalk
Dienstag, 05.10.2021
Auswertiges Amt: Spätestens nach dem Afghanistan-Desaster ist klar: Heiko Maas wird nicht Außenminister bleiben. Im Wahlkampf hat die Außenpolitik so gut wie keine Rolle gespielt. Die Grundlinien sind klar, egal welche Partei sich das prestigeträchtige Außenamt in den Koalitionsverhandlungen sichert. Bleibt es bei der SPD, so müsste wohl der bisherige SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich die Scherben seines Vorgängers aufräumen. Der Außenpolitiker hat seit 2002 im Bundestag Erfahrung gesammelt mit Abrüstung und Verteidigung. Bei den Grünen wäre Robert Habeck der wahrscheinlichste Kandidat – obwohl er, wie Co-Parteichefin Annalena Baerbock einst süffisant sagte, eher von „Hühner, Schweine, Kühemelken“ komme, sie aber vom Völkerrecht. Aber: Er hat als Vize-Ministerpräsident in Kiel und Landesumweltminister 2012 bis 2018 bereits Verhandlungsgeschick bewiesen. Und wer die Grünenflügel befrieden kann... Lange haben FDP-Politiker das Außenamt geführt. Kommen wieder die Liberalen zum Zuge, dann wäre Alexander Graf Lambsdorff gefragt: Der Bundestagsabgeordnete aus Bonn ist ausgebildeter Diplomat, hat in den USA studiert, in der Botschaft in Washington und der Russland-Abteilung des Außenamts gearbeitet. Sollte es noch zu „Jamaika“ kommen und die CDU das Ministerium erringen, so wäre wohl der erfahrene Außenpolitiker und Erklärer Norbert Röttgen gesetzt. Unser Favorit: Der gelernte Diplomat Lambsdorff, der als einstiger EU-Parlamentarier auch Europas Probleme kennt. (-mel-)
Foto: Robert Schmiegelt via www.imago-images.de
Dienstag, 05.10.2021
Verkehr und digitale Infrastruktur: Auch wenn das Rennen um das Kanzleramt noch läuft, ist klar, wer als großer Verlierer aus den Koalitionsverhandlungen hervorgehen wird: die Autofahrer. Weil die CO2-Steuer bis 2025 auf 55 Euro pro Tonne erhöht wird, werden sich Benzin und Diesel im gleichen Zeitraum um mindestens 15 Cent verteuern. Absehbar ist auch, dass die Debatte um ein Tempolimit Fahrt gewinnen wird. Dass sich der bisherige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im Falle einer Jamaika-Koalition im Amt halten kann, ist nahezu ausgeschlossen. Die Union würde das Ministerium an die Grünen abtreten müssen, die sich klimapolitisch profilieren wollen. Im Falle eines Ampel-Bündnisses steht es außer Frage, dass SPD und FDP der Ökopartei den Vortritt lassen werden. Bei den Grünen wird es letztlich darum gehen, alle Altvorderen mit Posten zu versehen. Deshalb fällt mit Blick auf das Verkehrsministerium immer wieder der Name Cem Özdemir – zumindest wenn ihm nicht das Innenministerium angeboten werden würde. Özdemir konkurriert innerparteilich mit Anton Hofreiter. Der Grünen-Fraktionschef könnte als Vertreter des linken Flügels vom parteiinternen Proporz profitieren, wonach alle Lager berücksichtigt werden sollen. Özdemir hat derweil bereits erste Pflöcke eingeschlagen und öffentlich erklärt, er sehe sich für das Amt gut vorbereitet. Zudem war er in der abgelaufenen Legislaturperiode Vorsitzender des Verkehrsausschusses. Unser Favorit: Cem Özdemir. Hofreiter hat zwar angedeutet, dass er kompromissbereit wäre und nicht einmal auf einem Tempolimit beharren würde – der gemäßigt wirkende Özdemir wäre der breiten Wählerschaft jedoch besser vermittelbar. Tiefe Einschnitte für Autofahrer bringen beide. (-af-)
Foto: Müller-Stauffenberg via www.imago-images.de
Dienstag, 05.10.2021
Ministerium für Familie, Frauen, Senioren und Kindern: Als „Gedöns“ hat Ex-Kanzler Gerhard Schröder seinerzeit das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bezeichnet. Inzwischen ist längst klar geworden, dass in diesem Ministerium wichtige ressortübergreifende Weichen für die Politik gestellt werden. Wer könnte nun in die Fußstapfen der engagierten, aber über ihre Plagiate gestolperten Franziska Giffey und ihre Interimsnachfolgerin Christine Lambrecht treten? Der Fokus der Grünen liegt nicht auf diesem Politikfeld – dennoch haben sie eine versierte Politikerin zu bieten. Die 50-jährige Ekin Deligöz ist seit 1998 Mitglied des Bundestages, war von 2002 bis 2005 Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion und von 1998 bis 2009 Mitglied der Kinderkommission. Im Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen war sie Vize-Vorsitzende. Die FDP hat in Grigorios Aggelidis einen sehr aktiven Sprecher für den Bereich Familie. Der 56-jährige Unternehmer mit griechischen Wurzeln könnte die Frauen-Phalanx in diesem Ressort unterbrechen, wenn ein „bunteres“ Kabinett angestrebt wird. Sollte die CDU es wider Erwarten in die Regierung schaffen und den Zuschlag für das Ressort erhalten, weist alles auf Silvia Breher hin. Die Juristin (48) war für diesen Bereich in Armin Laschets Kompetenzteam. Wenn die SPD dieses Feld beackern soll, wäre Manuela Schwesig zweifellos erste Wahl. Widersteht die Ministerpräsidentin aber dem Rückruf nach Berlin, könnte der vielseitige Fraktionschef Rolf Mützenich einspringen. Unsere Favoritin: Die kompetente Ekin Deligöz – sie hat Organisationserfahrung und steht im Thema. (-dn-)
Foto: Grüne
Dienstag, 05.10.2021
Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Egal wie die künftige Regierung aussieht – eines scheint schon festzustehen: Die Grünen übernehmen das Umweltressort. Alles andere wäre eine absolute Überraschung. Deshalb wird Noch-Ministerin Svenja Schulze (SPD) keine Chance haben, das Amt zu behalten, obwohl sie einige Erfolge feiern konnte, den Kohleausstieg mitfixierte und das Klimaschutzgesetz durchbrachte. Dass sie in ihrem Wahlkreis nur auf Platz drei landete, hat ihre Aktien nicht steigen lassen. Es gibt wohl wenige Ressorts, die für die FDP nahezu ausgeschlossen scheinen. Das Umweltressort aber dürfte für die Liberalen nicht zu greifen sein. Wenngleich sie mit Gero Hocker, dem agrarpolitischen Sprecher der FDP, einen Mann mit Sachverstand in ihren Reihen haben. Die CDU hat fünf der neun bisherigen Bundesumweltminister gestellt – darunter war auch von 1994 bis 1998 Angela Merkel. Aber auch in einer eventuellen Jamaika-Koalition wird sich niemand melden, der den Grünen ernsthaft ihr ureigenes Thema streitig machen will. Also: Welcher Grüne, welche Grüne wird es werden? Der vielseitige Anton Hofreiter wäre ein Kandidat. Die glücklose Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock könnte hier eine zentrale, zukunftsgerichtete Position im Kabinett übernehmen. Oder wird Robert Habeck, Ex-Umweltminister in Schleswig-Holstein, die Gestaltung der Klima- und Umweltpolitik übernehmen? Der 52-Jährige wird ein Ressort erhalten – das steht wohl außer Frage. Unser Favorit: Robert Habeck. Er hat bereits ministerielle Erfahrung in diesem Ressort. (-scha/dn-)
Foto: Fotostand / Reuhl via www.imago-images.de
Dienstag, 05.10.2021
Verteidigung: Nach dem Afghanistan-Desaster ist ein Amtsverbleib von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sehr unwahrscheinlich. Aus den Reihen der Opposition hat sich Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) am meisten Gehör als Verteidigungspolitikerin verschafft. Sie traf oft den richtigen Ton bei Themen wie KSK-Affäre, Mali-Einsatz oder Drohnen-Debatte. Seit 2013 sitzt sie im FDP-Bundesvorstand, davon sechs Jahre als Vizechefin, und hat den Aufstieg ihrer Partei mit vorangetrieben. Bei SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil könnte man denken, der Weg in den Bendlerblock sei vorgezeichnet: Der Sohn eines Berufssoldaten stammt aus Munster, größter Standort des Heeres. Klingbeil verweigerte den Wehrdienst, aber änderte später seine Sicht auf die Truppe. Als langjähriges Mitglied des Verteidigungsausschusses verfügt er über Expertise. Der erfolgreiche Wahlkampf hat sein Ansehen gestärkt. Eva Högl (SPD) hat sich als Wehrbeauftragte schnell Profil verschafft. Dabei scheute sie nicht den Konflikt mit Partei- und Fraktionsführung, als sie sich für bewaffnete Drohnen aussprach. Besonders präsent war in den Wochen nach dem Afghanistan-Abzug auch der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter, der mit pointierten Analysen überzeugte. Als Ex-Oberst kennt er die Truppe aus dem Effeff. Unsere Favoritin: Marie-Agnes Strack-Zimmermann könnte die erste FDP-Verteidigungsministerin werden. Ihre Kompetenz auf dem Gebiet hat sie bewiesen. Mit ihrer direkten und resoluten Art könnte sie zudem in der Truppe gut ankommen. (-sb-)
Foto: Fabian Sommer/dpa
Dienstag, 05.10.2021
Finanzen: In der Finanzpolitik sind die Auffassungen der möglichen Koalitionspartner konträr. Während CDU und FDP die Steuern niedrig halten oder gar senken wollen, neigen Grüne und SPD eher zum Schuldenmachen. Entsprechend wichtig ist für die Parteien, wer künftig das Finanzministerium leiten wird. Bei den Grünen werden vor alllem dem Co-Parteichef und möglichen Vize-Kanzler Robert Habeck Ambitionen auf diesen Posten nachgesagt. Besondere Qualifikationen bringt er für dieses Amt zwar nicht mit. Aber klar ist: Bei der Finanzierung der künftigen Klimapolitik hat der Finanzminister eine Schlüsselrolle. Erstes Indiz für Habecks wirtschafts- und finanzpolitischen Ehrgeiz: Er nahm bereits im Januar 2020 überraschend am Weltwirtschaftsforum in Davos teil. Auch die Liberalen sehen die Finanzpolitik als Kern künftiger Politik. Kein Wunder also, dass FDP-Chef Christian Lindner seinen Hut in den Ring für das Amt des Finanzminister geworfen hat. Lindners Name steht für solides Haushalten und Steuersenkungen für mittelständische Unternehmen. Auch Friedrich Merz würde für die Union einen solchen Kurs steuern und das Budget des Staates eher knapp halten, um den Privaten mehr Raum zu lassen. Für die Sozialdemokraten ist Carsten Schneider als Mitglied des Seeheimer Kreises auf dem Finanzsektor ministrabel. Unser Favorit: Christian Linder. Der Liberale ist am ehesten in der Lage, künftigen Generationen hohe Schulden zu ersparen und die Wirtschaft aktuell nicht zu bremsen. (-jst-)
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Dienstag, 05.10.2021
Ministerium für Bildung und Forschung: Spätestens die Corona-Pandemie hat gezeigt: Es hakt an den Schulen im Lande, gerade bei der Ausstattung, digitalen Infrastruktur und Digitalkompetenz der Lehrkräfte. Alle vier Parteien wollen in Zukunft mehr in Bildung investieren. In der SPD hat Co-Parteivorsitzende Saskia Esken die besten Karten auf das Ministeramt. Damit würde die Partei nicht nur dem linken Flügel eine Ampel schmackhaft machen, Esken hat bildungspolitische Vorerfahrungen. Zudem bringt sie als gelernte Informatikerin Fachwissen mit, um die Digitalisierung der Schulen voranzutreiben. Digitalisierung ist auch das Lieblingsthema der FDP, Bildung und Forschung zentrale Säulen ihrer gesamten Politik. Neben langjährigen Parteigrößen bietet sich Thomas Sattelberger, bisheriger Sprecher für Innovation, Bildung und Forschung der Liberalen Bundestagsfraktion und ehemaliger Telekom-Vorstand, an. Bei den Grünen drängt sich Hamburgs zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank in den Vordergrund; thematisch durch ihre Vorerfahrung als Bildungs- und Wissenschaftssenatorin in Hamburg, medial durch ihre jüngsten Aussagen, die Jamaika-Koalition dürfe nicht abgeschrieben werden. Falls es wirklich so kommt, erhebt auch die CDU Anspruch auf das Bildungsministerium. Die bisherige Ministerin Anja Karliczek hat wohl nur Außenseiterchancen, als Konkurrenz gilt unter anderem der bisherige Kanzleramtsminister Helge Braun. Unsere Favoritin: Saskia Esken bringt sowohl die nötigen Vorerfahrungen als auch den nötigen Biss mit, um zwischen Bund und den für Bildung zuständigen Ländern zu vermitteln. (-jh-)
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Dienstag, 05.10.2021
Innen und Bau: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kehrt der aktiven Politik den Rücken. Ein Kandidat für seine Nachfolge ist der frühere Osnabrücker Oberbürgermeister Boris Pistorius (SPD). Der niedersächsische Innenminister hat mit seiner (erfolglosen) Kandidatur für den Parteivorsitz bereits Ambitionen für Höheres bekundet. Pistorius steht für Recht und Ordnung und gilt als resolut und bodenständig. Er scheut sich nicht vor unpopulären Entscheidungen und wagte es, Parteichefin Saskia Esken zu kritisieren, als diese von einem „strukturellen Rassismus“ bei der Polizei sprach. Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz gehört zu den Aufsteigern seiner Partei. Er war bereits einige Jahre innenpolitischer Sprecher seiner Partei. In der vergangenen Legislaturperiode hat er sich in die vorderste Reihe der Grünen vorgearbeitet. Das beweist auch die große Medienpräsenz. Nicht nur als Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss war er ein gefragter Gesprächspartner. Auch die derzeitige innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic, ist auf dem Vormarsch. Sie machte unter anderem als kompetente Obfrau im U-Ausschuss Breitscheidplatz auf sich aufmerksam. Als Polizeibeamtin bringt sie eine passende berufliche Biografie mit. Konstantin Kuhle (FDP) avancierte schon als 28-Jähriger zum innenpolitischen Sprecher seiner Fraktion – und überzeugte. Dem heute 32-Jährigen gehört die Zukunft in seiner Partei. Er wird, passend zur möglichen „Ampel“, dem sozialliberalen Flügel seiner Partei zugerechnet. Unser Favorit: Boris Pistorius. Er bringt viel mit – kommunalpolitische Expertise, Erfahrung im Innenressort – und Durchschlagskraft. (-sb-)
Foto: Bernd Günther via www.imago-images.de
Dienstag, 05.10.2021
Justiz und Verbraucherschutz: Der Chef oder die Chefin dieses Ressorts steht immer ein bisschen im Schatten der Minister, in deren Häusern es ums Geld geht – dabei zählt das Justizministerium zusammen mit den Innen-, Außen-, Finanz- und Verteidigungsministerien zu den „klassischen“ Ressorts. Die Bezeichnung bezieht sich darauf, dass es in der ersten deutschen Reichsregierung nur diese Geschäftsbereiche gab. In der SPD könnte Stefanie Hubig berufen werden. Die 52-jährige Frankfurterin und promovierte Juristin ist derzeit rheinland-pfälzische Bildungsministerin. Zuvor war sie von 2014 bis 2016 unter ihrem Parteikollegen Heiko Maas Staatssekretärin im Bundesjustizministerium. Sie ist für das Justizressort deshalb definitiv qualifiziert. Die FDP hatte über Jahre ein Abonnement auf das Justizministerium – wichtigstes Anliegen ist ihr derzeit die Legalisierung und Besteuerung von Cannabis. In Lindners Schatten könnte der drogenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Wieland Schinnenburg, nominiert werden. Die Grünen haben dieses Ressort nicht so recht im Blick. Wenn überhaupt, dann könnte der Name Dirk Behrendt fallen. Der 50-Jährige ist der einzige der vier grünen Landesjustizminister, der ein Juraexamen vorweisen kann. Er ist seit dem 8. Dezember 2016 Justizsenator des Landes Berlin. Die Union hat seit 1949 nur drei Mal die Hand gehoben, wenn es um die Besetzung des Justizressorts ging. Das Innenministerium war CDU und CSU immer wichtiger. Zudem ist derzeit ihre Regierungsbeteiligung unwahrscheinlich. Also: kein Vorschlag für die Union.Unsere Favoritin: Stefanie Hubig. Sie ist Juristin und hat ministerielle Erfahrung. (-dn-)
Foto: Arne Dedert/dpa
Dienstag, 05.10.2021
Wirtschaft: Die Wirtschaftspolitik der neuen Bundesregierung wird kreativer werden, davon ist auszugehen, wenn FDP und Grüne künftig mit am Kabinettstisch sitzen. Bei den Grünen hat eine gebürtige Münsterländerin das Zeug zur Ministerin. Katharina Dröge, geboren und aufgewachsen in Ladbergen, vertritt jetzt einen Kölner Wahlkreis. Als Volkswirtin und ehemalige Referentin im Umweltministerium vereint sie Kompetenz auf Arbeitsfeldern, die künftig in Einklang zu bringen sind: Ökonomie und Ökologie. Eine ähnliche Doppelqualifikation bringt Michael Theurer (FDP) mit. Er sieht sich einerseits zuständig für den Politikbereich „Vorankommen durch eigene Leistung“ wie auch für die Versöhnung von Wirtschaft und Umwelt. In der vergangenen Legislaturperiode hat er bereits im Ausschuss für Wirtschaft und Energie Pflöcke eingeschlagen. Aus Kreisen der Sozialdemokraten dürfte Bernd Westphal Chancen haben, Wirtschaftsminister zu werden. Der bisherige wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion kann als Mann mit gewerkschaftlichem Background auch bei Menschen, die wirtschaftliche Erfolge immer mit viel Skepsis begleiten, punkten. Falls die Koalitionsverhandlungen über eine Ampel doch noch scheitern und die Union wider Erwarten an der Regierung beteiligt wäre, dürfte wohl der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Carsten Linnemann, der Favorit von CDU/CSU für das Wirtschaftsministerium sein. Unser Favorit: Michael Theurer. Der Liberale könnte den Firmen Umweltschutz mit Erfolg nahebringen. (-jst-)
Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Dienstag, 05.10.2021
Gesundheitsministerium: In der Sondersituation der Pandemie stand er fair hinter dem Gesundheitsminister Jens Spahn, seinem Rivalen aus der CDU: der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Unermüdlich warnte und erklärte der Mediziner auf allen möglichen Kanälen, was sich im Kampf gegen Covid tat – und behielt meist recht. Die Omnipräsenz des Mahners begeisterte die einen und machte ihn zur Hassfigur für die Gegner der Corona-Maßnahmen. Klar ist: Bekommt die SPD das Gesundheitsministerium, so kommt sie an dem Rheinländer kaum vorbei – auch wenn sie ihn bei der Wahl nicht einmal über die Landesliste abgesichert hatte. Und als Gesundheitsökonom könnte er den von SPD und Grünen angestrebten Umbau des Gesundheitssystems vorantreiben. Die FDP hat mit Philipp Rösler (2009-2011) und dem Münsteraner Daniel Bahr (2011-2013) zwar bereits zwei Gesundheitsminister gestellt, derzeit drängt sich aber kein liberaler Kandidat auf. Sollten die Grünen nach dem Amt greifen, so könnte die neue Ministerin aus Münster kommen: Maria Klein-Schmeink, die ihren Wahlkreis direkt gewonnen hat. Sie ist seit Langem im Bereich Gesundheit und Patientenrechte engagiert, war gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Nur wenn SPD, Grüne und FDP die „Ampel“-Bemühungen „ausknipsen“ und die Union doch noch an der Regierung beteiligt wäre, hätte Jens Spahn eine Chance. Unser Favorit: Karl Lauterbach, der in der Corona-Pandemie engagiert bewiesen hat, dass er weiß, wovon er spricht. (-mel-)
Foto: Christoph Hardt via www.imago-images.de
Dienstag, 05.10.2021
Landwirtschaft und Ernährung: Wer dieses Ministerium führt, legt sich mit einem der mächtigsten Lobbyverbände an, die Deutschland zu bieten hat: dem Bauernverband. Da braucht man nicht nur Sachkenntnis, sondern auch ein gewisses Standing. Das gilt insbesondere für die Grünen, nachdem die Bauern sie schon fast zum Feindbild aufgebaut haben. Die Wahl könnte auf Anton Hofreiter fallen, er ist promovierter Biologe. Dass er ein streitbarer Geist ist und sich nicht ins Bockshorn jagen lässt, hat der 51-jährige Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion mit dem gemütlichen bayerischen Akzent zur Genüge bewiesen. Auf die Debatten mit den Landwirten darf man sich freuen.Die Liberalen haben sich in puncto Landwirtschaft bisher stets auf die Seite der Bauern gestellt. Wenn das Ressort der FDP zugeschlagen wird, dann vermutlich mit Nicole Bauer an der Spitze. Die 34-jährige Bayerin kommt vom Hof und sitzt im Bundestagsausschuss für Landwirtschaft. Die Sozialdemokraten werden sich auf die großen Ministerien konzentrieren und dieses Ressort einem der kleineren Koalitionspartner überlassen – deshalb kein Vorschlag.Nur wenn die Verhandlungen über eine Ampel-Koalition doch noch scheitern und die Union in die Regierung kommt, könnte sie Albert Stegemann (CSU) ins Rennen schicken. Der 45-jährige Landwirt war bislang Chef der Arbeitsgemeinschaft Landwirtschaft und Ernährung und Co-Vorsitzender des entsprechenden Bundesfachausschusses. Unser Favorit: der kernige Fachmann Hofreiter. (-scha/dn-)
Foto: via www.imago-images.de
Dienstag, 05.10.2021
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Die Entwicklungspolitik ist vom bisherigen Ressortchef Gerd Müller (CSU) dank seiner Hartnäckigkeit und klaren Worte viel mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt worden als durch frühere Minister. Dazu kommt, dass die Flüchtlingsströme die Notwendigkeit einer nachhaltigen und gezielten Entwicklungshilfe nachdrücklich unterstreichen.Als die Welthungerhilfe im Vorfeld der Wahl sechs Fragen an die Parteien stellte, antwortete für die SPD Serpil Midyatli, Schleswig-Holsteins Landesvorsitzende, stellvertretende Bundesvorsitzende und seit Juli Fraktionschefin im Kieler Landtag. Die 46-jährige Tochter türkischer Einwanderer kennt Politik von der Pike auf. Sie gilt als „Ziehtochter“ des Parteilinken Ralf Stegner und großes politisches Talent. Oder wäre das Amt ein „Trostpreis“ für den Grünen Anton Hofreiter? Der 51-jährige Bayer zählt zum linken Flügel – und der kommt bisher etwas zu kurz. Der promovierte Biologe könnte ökologische Entwicklungspolitik etablieren.Julia Klöckner hätte in einer Jamaika-Koalition – wenn es diese wider Erwarten gäbe – keine Chance, das Ressort Ernährung und Landwirtschaft gegen die Grünen zu behaupten. Aber die 48-jährige CDU-Vizechefin könnte Entwicklungspolitik. Im alten Amt hat sie das Papier „Ernährung sichern – Wachstum fördern. Für eine moderne, nachhaltige Land-, Ernährungs- und Forstwirtschaft in Afrika“ herausgebracht.Für die FDP ist das Ressort eher ein Anhängsel der Außenpolitik – ihr Interesse dürfte gering sein.Unsere Favoritin: Serpil Midyatli. Sie kennt das politische Geschäft von der Pike auf und gilt als Talent. (-dn-)
Foto: Carsten Rehder/dpa
Dienstag, 05.10.2021
Arbeit und Soziales: Das Ministerium für Arbeit und Soziales könnte zur Belohnung an einen erfolgreichen Partei-Generalsekretär für dessen erfolgreichen Wahlkampf gehen. Da wäre zum einen Lars Klingbeil. Der 43-jährige Niedersachse gilt als der Architekt des SPD-Erfolgs, den kaum jemand Anfang des Jahres für möglich hielt. Neben Scholz gehört er also zu den klaren Siegern der Bundestagswahl und könnte durchaus etwas fordern. Wenn ihn der Fraktionsvorsitz nicht mehr reizt oder der bisherige Arbeitsminister Hubertus Heil nicht darauf pocht, sein Amt zu behalten, wäre er ein Kandidat.Der zweite „General“ heißt Volker Wissing. Der 51-jährige Pfälzer gilt als einer derjenigen, die die FDP wieder in die Erfolgsspur gebracht haben. Er war Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz und könnte auch auf Bundesebene ein Ministeramt ausüben. Dazu kommt auch, dass er in Rheinland-Pfalz schon Erfahrung mit einer Ampelkoalition gemacht hat.Und dann wäre da noch Friedrich Merz. Der 65-jährige Sauerländer hätte nur eine Minister-Chance, sollte Jamaika doch noch zum Zug kommen. Und das Arbeitsressort liegt da nahe. Denn das Wirtschaftsressort, das er im Januar schon einmal erfolglos für sich eingefordert hat, dürfte ihm weiterhin verwehrt bleiben.Wen könnten die Grünen ins Rennen schicken? Wenn Katrin Göring-Eckardt nicht erste grüne Bundespräsidentin wird, läge das Ressort Arbeit und Soziales für die 55-jährige Thüringerin im Bereich des Möglichen. Doch das Ressort ist kein grünes Territorium.Unser Favorit: Lars Klingbeil. Frischer Wind eines Machers tut dem Ministerium vielleicht gut. (-dn-)
Foto: Michael Kappeler/dpa