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Wenn die Trinkwasserqualität leidet: Die Folgen der Explosion im Chempark Leverkusen

133 Liter Wasser verbraucht ein durchschnittlicher Einwohner in NRW pro Tag und dürfte sich dabei nur selten Gedanken machen, wie gut die Qualität des Wassers aus dem Hahn eigentlich ist. Doch Fälle wie die Explosion eines Tankers mit giftigen Sonderabfällen im Chempark Leverkusen, bei der in der Folge auch Giftstoffe in den Rhein und damit ins Trinkwasser gelangten, werfen die Frage auf, wie es um die Trinkwasserqualität in Deutschland tatsächlich steht.

Aschendorff Medien

Foto: Unsplash.com

Mehr als 20.000 wasserrelevante Chemikalien im Umlauf: Eine Überforderung für Kläranlagen und Wasserversorger?

Was die Verantwortlichen des Chempark-Betreibers Currenta als „unumgängliches Übel“ beschreiben, nennt der Gewässerschutzexperte des BUND-Landesverbandes NRW eine „unverantwortliche Verharmlosung“. Die Rede ist insbesondere von dem in Deutschland verbotenen Insektengift Clothianidin, welches im Anschluss an die schwere Explosion im Chempark Leverkusen und während der folgenden Löscharbeiten, in den Rhein geleitet wurde. Zwar betont man bei Currenta, dass Überwachungswerte bezüglich der Konzentration des Gifts im Wasser nicht überschritten worden seien, doch vor allem bei den niederländischen Wasserbetrieben, die das Rheinwasser zur Versorgung von etwa 5 Millionen Menschen verwenden, ist man verärgert. „Wir hätten die Aufnahme von Rheinwasser stoppen können, um unsere Verbraucher zu schützen“, erklärt Gerard Stroomberg, Direktor des Verbandes der niederländischen Rhein-Wasserwerke.

Doch unabhängig von der Frage nach den Alternativen zum fraglichen Krisenmanagement wird deutlich, dass eine gute Qualität unseres Trinkwassers trotz seiner Behandlung in modernen Kläranlagen und trotz der geltenden Trinkwasserverordnung, nach dessen Vorgaben das Leitungswasser „rein“ und „genusstauglich“ sein soll, keineswegs garantiert zu sein scheint. Für Dr. Nikolas Sandmann, verantwortlicher Leiter für Forschung und Entwicklung beim privaten Wasseraufbereiter HYTECON, liegt dies auch an der fehlenden Regulations- und Kontrolldichte bei der Wasserversorgung: „Es gibt ungefähr 45 Grenzwerte in der Trinkwasserverordnung, aber in der EU mehr als 100.000 chemische Stoffe auf dem Markt, wovon 20.000 bis 30.000 umwelt- und abwasserrelevant sind“, kritisiert der promovierte Chemiker den wasserrechtlichen status quo. Somit würde ein Großteil der Stoffe überhaupt nicht überwacht, obwohl diese in der Luft und im Wasser nachweisbar seien. Laut dem BUND-Wasserexperten Kröfges zählt auch das in Leverkusen in den Rhein geleitete Clothianidin dazu.

Böden, Rohrsysteme und Hausinstallationen: Wo sich die Wassergüte entscheidet

Auch wenn chemische Unfälle wie jener im Chempark eher die Ausnahme als die Regel sein dürften, steht die Qualität der Wasserversorgung vielerorts unter Druck. Ein Grund dafür liegt etwa in der zunehmenden Nitratkonzentration deutlich über den zulässigen Grenzwerten wie sie das Umweltbundesamt mittlerweile an fast jeder fünften Grundwassermessstelle feststellt. Bei der Behörde dämpft man bereits die Hoffnungen vieler Umweltexperten auf ein hohes Reinigungs- und Rückhaltevermögen der Naturböden. Aber auch veraltete Rohrsysteme in öffentlichen Verteilungsnetzen und privaten Hausinstallationen sowie bei Trinkwasserspeichern können das Wasser etwa mit Schwermetallen oder coliformen Bakterien belasten. Für den einzelnen Verbraucher ist es hingegen meist schwer, mögliche Gefahren einzuschätzen, da diese nicht immer sofort spürbar werden. „Die Ursache für mögliche Gesundheitsschäden werden meist nicht im eigenen Leitungswasser vermutet, sodass eine kontinuierliche Aufnahme der Stoffe und Bakterien zu einem langfristigen Problem wird“, beschreibt Sandmann die ungünstige Ausgangslage für viele Trinkwasserkonsumenten.

Mineral- versus Leitungswasser: Wie Verbraucher Gesundheit und Umwelt schützen können

Doch wie können Verbraucher die Qualität ihres Trinkwassers sicherstellen? Neben weiteren regulatorischen Maßnahmen wie der zuletzt aktualisierten EU-Trinkwasserrichtlinie setzt man etwa bei HYTECON zunehmend auf verbrauchernahe Aufbereitungslösungen. Über ein 2-Filter-System unter Einsatz von Aktivkohle und der bisher vor allem professionell genutzten UVC-Strahlung soll das Leitungswasser unmittelbar an den Anschlussarmaturen des Haushalts optimal desinfiziert werden. Durch die neue Technologie könnten sämtliche Belastungen von bestimmten Chemikalien, Mikroplastik, Schwermetallen bis hin zu Viren und Bakterien kurz vor der Wasserentnahme effektiv herausgefiltert werden, erklärt Sandmann. Obwohl die boxartige Vorrichtung etwas mehr als 1000€ kostet, könnte sich eine Investition für Verbraucher langfristig lohnen. Denn nach Schätzungen des Umweltbundesamts ist das Wasser aus dem Hahn fast 100-mal günstiger als das preiswerteste Flaschenwasser vom Discounter. Und auch in Sachen Umweltbilanz ist laut Berechnungen der Verbraucherzentrale Leitungswasser mit Abstand die nachhaltigere Alternative. Gute Gründe also, um einem unserer wichtigsten Lebensmittel mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

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