Spanien - Toledo
Stadt der drei Kulturen
Toledo ist eine Stadt der drei Kulturen und Unesco-Weltkulturerbe. Doch Toledo ist keine Stadt, in der es etwas zu sehen gibt, Toledo ist eine einzige Sehenswürdigkeit.
Das unscheinbare Gebäude, durch das man über einen schattigen Hinterhof an der Calle Reyes Catolicos gelangt, steht wie kaum ein anderes für die 2000-jährige Geschichte von Toledo. Im 12. Jahrhundert von muslimischen Handwerkern im Stil einer Moschee errichtet, diente es zunächst als Synagoge und später als christliche Kirche. Heute ist die „Santa Maria La Blanca Synagoge“ ein Museum, das von Schwester Clara von der „Fraternidad Maria Morgenstern“ betreut wird. Die religiöse Gemeinschaft feiert nicht nur die katholischen Feste, sondern auch die jüdischen – und das mit dem Segen des Bischofs von Toledo. „Diese Synagoge“, wünscht sich die Nonne, „soll zu einem Ort der Versöhnung zwischen den Kulturen werden.“
So wie im Mittelalter, als in Toledo Moslems, Juden und Christen jahrhundertelang friedlich zusammenlebten. Die Spuren aus der damaligen Zeit sind in der um 190 vor Christus gegründeten „Stadt der drei Kulturen“, die auf einem auf drei Seiten vom Fluss Tajo umtosten Felsen thront, bis heute zu besichtigen: die über einer Moschee errichtete Kirche El Salvador, die prächtige, mit Kunstschätzen überfüllte Kathedrale, der zweigeschossige Kreuzgang des Monasterio San Juan de los Reyes . . .
Müßig, alles aufzuzählen, denn Toledo ist keine Stadt, in der es etwas zu sehen gibt, Toledo ist eine einzige Sehenswürdigkeit – und daher aus gutem Grund gleich komplett zum Unesco-Weltkulturerbe ernannt worden. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass die Besucher ein blutarmes Freilicht-Museum erwartet. Die Stadt strotzt nur so vor spanischer Lebensfreude. Abends, wenn die Sonne hinter den Bergen von Toledo verschwunden ist, füllen sich die Straßen und die Restaurants, werden Zicklein und Reh, Fasan und Ochse aufgetischt – und als Nachtisch gibt es vielleicht einen Teller Marzipan. Die süße Spezialität wird hier in Dutzenden Manufakturen hergestellt und in ganz Spanien geschätzt.
Zwei Millionen Touristen kommen jedes Jahr nach Toledo, im kommenden Jahr dürften es noch mehr werden, schätzt Elena Rodriguez Martinez vom Spanischen Fremdenverkehrsamt. 2014 jährt sich nämlich zum 400. Mal der Todestag des aus Griechenland stammenden und in Toledo zu Weltruhm gelangten Malers El Greco. Seine Werke hängen in der Kathedrale, ehemaligen Hospitälern, Klöstern. Natürlich gibt es auch ein El-Greco-Museum, in das ein Gebäude integriert ist, das womöglich einmal dessen Wohnhaus war. Eines der bedeutendsten Werke des Malers befindet sich im Vorraum der Kirche Santo Tomé: das „Begräbnis des Grafen von Orgaz“.
Orgaz liegt in der La Mancha, die auch die Heimat von Don Quijote und Sancho Pansa war, jenen schrägen Vögeln, die der spanische Nationaldichter Cervantes erschuf und die bis heute Kultstatus genießen. Städtchen wie Orgaz sind noch immer so verschlafen wie damals. Am Samstagmittag streunt ein einsamer Hund über den Platz vor der Kathedrale Santo Tomás Apóstol, zwei alte Damen tragen ihren Einkauf nach Hause. „Schauen Sie, das Wappen der Bourbonen“, sagt eine der beiden und zeigt Richtung Kirchenportal. Die Jugend hat Orgaz längst verlassen, Richtung Madrid oder in andere Metropolen. „Hier“, sagt Elena Martinez, „gibt es für sie kaum noch Arbeit.“ Immerhin: Mit der knorrigen Burg der Grafen von Orgaz hat die Stadt eine veritable Sehenswürdigkeit vorzuweisen, für die allein sich schon der Besuch lohnt.
Eine halbe Autostunde weiter wachsen plötzlich Hügel aus der scheinbar endlosen La-Mancha-Hochebene. Am Horizont erscheint Consuegra, die Stadt der Windmühlen. Ein Dutzend ist erhalten geblieben, an ihnen fährt kein Ausflugsbus vorbei. Der Wind pfeift, während Touristen aus aller Welt versuchen, das perfekte Foto zu machen – mit möglichst vielen Windmühlen und der imposanten Templerburg im Hintergrund.
Und dann tauchen sie plötzlich tatsächlich auf: Don Quijote und Sancho Pansa quälen sich samt Pferd Rosinante über die steilen Hänge von Consuegra, vorbei an Stock und Stein und den Windmühlen. Ein paar Bewohner haben sich zu einer Schauspielertruppe zusammengeschlossen – was anderswo nur Klamauk wäre, ist am Originalschauplatz eines der ganz großen Bücher der Weltliteratur ein wunderbarer Spaß.
Zurück in Toledo wird es schwer, unterhalb des Parador-Hotels einen Parkplatz zu finden. Hier versammeln sich Abend für Abend Einheimische und Touristen zum Sonnenuntergang. Weit hinten taucht sie als glühender Ball ab, während vorne die Silhouette Toledos in ein warmes Licht getaucht wird. In einer der schönsten Städte der Welt hat die blaue Stunde begonnen.
INFORMATION
Anreise: Lufthansa fliegt täglich von Düsseldorf nach Madrid. Von dort sind es noch 45 Minuten Fahrt mit dem Auto oder dem Zug nach Toledo. Der Busreise-Veranstalter Hafermann bietet Spanien-Rundreisen von Deutschland aus an, die auch in Toledo und der La Mancha Station machen.
Touren vor Ort: In der an unzähligen Sehenswürdigkeiten reichen Stadt Toledo empfiehlt sich eine Stadtführung. Das Städtchen Orgaz liegt etwa 30 Auto-Minuten entfernt, in weiteren 30 Minuten gelangt man zu den Windmühlen von Consuegra.
Information: Spanisches Fremdenverkehrsamt, Grafenberger Allee 100, 40237 Düsseldorf, www.spain.info
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