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„Ich bin kein Motzknochen“

Selig-Sänger Jan Plewka präsentiert in Albachten Reminiszenz an Rio Reiser

Münster

Die letzte Tour seiner Band Selig ist noch gar nicht so lange vorbei. Jetzt probt der Sänger und Schauspieler Jan Plewka gerade in Wien für die österreichische Erstaufführung des Elfriede Jelinek Stücks „Winterreise“. Kommenden Samstag tritt er mit seiner Band Schwarz-Rote Heilsarmee im „Haus der Begegnung“ in Albachten auf und präsentiert eine Reminiszens an den „König von Deutschland“: Rio Reiser. Unser Redakteur Carsten Vogel hat mit ihm gesprochen.

Carsten Vogel

Frontmann der Band Selig und Schauspieler im Burgtheater: Jan Plewka. Foto: Hauptmann Entertainment

Man kann nicht gerade behaupten, du seist unterbeschäftigt.

Jan Plewka: (lacht) Nein. Das ist wirklich wahr. Neben deiner Musik bist du häufiger als Schauspieler tätig. Aber das Burgtheater ist eine andere Nummer, oder? Plewka: Das finden alle ganz beeindruckend, dabei ist es nur das kleine Haus...

... das weiß ja erstmal keiner...

Plewka: (lacht) Genau.

Das Burgtheater ist aber immer noch das Theater, oder?

Plewka: Oh ja, das merkt man. Hier wird Theater noch ganz groß geschrieben. Hast du denn Elfriede Jelinek mal getroffen? Plewka: Ich glaube, ich habe sie hier auf der Straße gesehen. Wenn man sich mit ihren Texten auseinandersetzt und sie im Kopf hat, dann erscheint sie einem. Kann sein, dass sie es war, vielleicht aber auch nicht. Sie weiß aber von dem Projekt und lässt schön grüßen (lacht).

In Münster lief ihre „Winterreise“ Ende letztes Jahr.

Plewka: Das ist schon irre. In Deutschland haben sie das bestimmt schon zehn Mal gespielt, und hier ist es die österreichische Erstaufführung. Jelinek gilt eben als Nestbeschmutzer...

... wie Thomas Bernhard.

Plewka: Ja. Die sind beide nicht gerade beliebt. Man sieht sie in Österreich eher kritisch. Du hast auch bereits in einem Fernsehfilm mitgewirkt und den Gitarristen von Ton Steine Scherben gespielt.

Also eigentlich das genaue Gegenteil von dem, was du in Münster auf der Bühne machen wirst.

Plewka: Das ist lange her. Da habe ich Lanrue gespielt und Marek [Harloff, Anm. der Redaktion] Rio Reiser. Ich habe aber R.P.S. Lanrue nie kennengelernt, deshalb weiß ich gar nicht, wie krass der Unterschied zu Rio Reiser gewesen ist. Aber man kann sich das vorstellen, wenn zwei so gegensätzliche Charaktere zusammenkommen. Und man sieht ja, was dabei herausgekommen ist.

Wie bist du zu Rio Reiser und seiner Musik gekommen?

Plewka: Ein Kumpel von mir aus der Schule hat damals die Platte bei sich zu Hause aufgelegt. Das war (singt) „Macht kaputt, was euch kaputt macht“. Da dachte ich, das ist ja echte Krawallmusik (lacht). Das fand ich faszinierend. Seitdem begleitet mich Rio durch mein Leben. Und später, als es darum ging Mädchen aufzureißen, haben wir dann „Junimond“ gesungen. Am Lagerfeuer oder am Strand. Rio fanden wir cool.

Was fasziniert dich an Rio Reiser?

Plewka: Seine Person. Sein Umgang mit Menschen. Seine Texte und Utopien, die er hatte. Die Melodien und die Mischung aus Politik und Romantik. Das hat bis dahin keiner so geschafft wie er. Er hat soviel gearbeitet, dass wir eigentlich drei Rio-Reiser-Abende machen könnten. Tag und Nacht hat er gearbeitet. Vieles ist noch unentdeckt. Es musst immer alles aus ihm heraus und das merkt man. Diese tiefe Leidenschaft, die Welt verändern zu wollen, der Gerechtigkeitsdrang, das nimmt man ihm einfach ab.

Weitere Informationen

Wann: Samstag, 14. April 2012, 20 Uhr

Wo: Haus der Begegnung, Hohe Geist 8, 48163 Münster

Tickets: Karten sind erhältlich bei Jörgs CD-Forum, Alter Steinweg 4-5, 48143 Münster. Tel.: 0251-58889

Hattest du auch so ein ungutes Gefühl, als das Album „Himmel und Hölle“ erschien, dass es sein letztes sein würde?

Plewka: Ja, da dachte ich damals auch, der ist nicht gut drauf. Weil es auch in dem Lied „Hoffnung“ heißt: „Nimmt mir die Krone ab, die mich erdrückt“. Eine Anspielung an das Lied „König von Deutschland“. Der Schlüsselsatz des Albums.

Warum singst du das Lied „König von Deutschland“ eigentlich nicht?

Plewka: Auf dem Abschiedskonzert von Rio, als alle zusammengekommen sind, hat Corny Littmann gesagt: „So meine Damen und Herren, jetzt kommt ein Lied, dass darf nur Rio Reiser oder der ‚Knabenchor Omnibus aus Berlin‘ singen“. Und da bin ich voll und ganz seiner Meinung (lacht).

Damals hat Rio die PDS vertreten und ist deshalb auf dem Musiksender VIVA nicht gesendet worden.Kann man sich das heute so vorstellen?

Plewka: Ja, klar. Ich war mit Marek [Harloff, Anm. der Redaktion] in der Gruppe TempEau. Wir haben auch politische Lieder über Nazi-Mädchen aus Greifswald und über Kindersoldaten geschrieben. Das Video, das wir VIVA und MTV geschickt haben, wurde abgelehnt und uns gesagt: „Schickt uns so etwas nie wieder“.

Wie hast du von Rios Tod erfahren?

Plewka: Ein Freund und Sängerkollege war da, als Rio starb. Er ist dann von Fresenhagen nach Hamburg gefahren und hat bei mir geklingelt. Der hat ausgesehen wie ein Gespenst und gestammelt: „Rio ist tot, Rio ist tot“.

Rio war manchmal sehr verärgert, wenn man ihn auf das Album „Ton Steine Scherben IV“ ansprach, weil er das Gefühl hatte, darauf reduziert zu werden. Gibt es so eine Reduzierung auf ein Lied oder auf ein Album bei deiner Band Selig auch?

Plewka: Das ist uns ehrlich gesagt egal. Ich bin froh, dass ich meinen Job ausüben kann. Sowieso bin ich eher eine freundliche Person, die Leute berühren möchte: Ich bin kein Motzknochen. Aber vielleicht ändert sich das auch noch (lacht).

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