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Linguistischer Nachwuchskongress in Münster

Leichte Sprache als gesellschaftliche Herausforderung

Münster

Im Alltag sind wir häufig von Fachtexten, wie zum Beispiel dem Schreiben vom Amt, umgeben. Dieses Behördendeutsch lässt den Leser oft ratlos zurück. Das zugeben mag aber keiner, um nicht als inkompetenter Deutschkenner zu gelten. Viele fühlen sich gar von Leichter Sprache provoziert. Leichte Sprache und wie man diese „Provokationsfalle“ umgehen kann, sind unter anderem Themen auf einer linguitischen Tagung.

Anna Lennartz, Vanessa Schalkamp

Leichte Sprache ist u.a. ein Thema auf dem linguistischen Nachwuchskongress in Münster am 16.01.18. Foto: Heinrich Schwarze Blanke

Spätestens seit den Bundestagswahlen 2017 sind sehr viele Menschen in Deutschland mit Leichter Sprache in Kontakt gekommen. Die SPD verschickte beispielsweise im Zuge des Wahlkampfs im Sommer ihr in Leichter Sprache verfasstes Programm an Privathaushalte. Bei vielen Wählern löste das Empörung aus.

Auch im Rahmen der Inklusionsdebatte spielt Leichte Sprache eine tragende Rolle und sorgt im öffentlichen Diskurs seit Jahren für Aufsehen. Prof. Dr. Christiane Maaß, Sprachwissenschaftlerin an der Universität Hildesheim, ist führend auf dem Forschungsgebiet Leichte Sprache. Die geschäftsführende Direktorin des Instituts für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation hat die Forschung zum Thema Leichte Sprache und Barrierefreie Kommunikation mit ihren Mitarbeiterinnen entscheidend vorangetrieben und gründete 2014 die Forschungsstelle Leichte Sprache. Am 16. Januar spricht sie in Münster auf der linguistischen Nachwuchstagung linkon zum Thema „Leichte Sprache als gesellschaftliche Herausforderung“.

Prof. Dr. Christiane Maaß

Durch Leichte Sprache am öffentlichen Leben teilnehmen

Maaß definiert Leichte Sprache als „eine verständlichkeitsoptimierte Variante des Deutschen.“ Texte in Leichter Sprache machen Inhalte auch für kommunikationseingeschränkte Personen zugänglich und ermöglichen die Teilhabe am öffentlichen Leben. In Deutschland wurde das Behindertengleichstellungsgesetz reformiert und Ansprüche auf Texte in Leichter Sprache darin festgeschrieben. Beim Übersetzen von Ausgangstexten in Leichte Sprache muss vieles beachtet werden.

Doch kann man beim Übersetzen innerhalb einer Sprache überhaupt von Übersetzen sprechen? Laut Prof. Dr. Christiane Maaß ist das Übersetzen zwischen zwei Sprachen nur ein Teil der tatsächlichen Tätigkeit von Übersetzern. Auch das Erschaffen eines situations- und adressatenangemessenen Zieltexts, der keine Eins-zu-Eins-Übertragung des Ausgangstext ist, gehört zu den Aufgaben. „Übersetzung ist immer dann nötig, wenn der Ausgangstext für die Adressatenschaft eine Barriere darstellt.“ Das kann der Fall sein, wenn ein Text in einer Fremdsprache verfasst ist oder die Sprache eben eine andere, beispielsweise fachsprachliche Variante des Deutschen ist.

Mehr zum Thema:

Leichte Sprache: Bald Einfach-Deutsch für alle?

Einfache Sprache: Drei Fragen an Übersetzerin Alexandra Popp

Beispiel: Alltagssprache und Leichte Sprache

Leichte Sprache als Provokation?

Fachsprachliche Texte sind im Alltag häufig Schreiben vom Amt, die in der Fachsprache des Rechts verfasst sind. „Sie stellen auch Nicht-Juristen sind, häufig vor Probleme. Wörter werden nicht genau verstanden oder es wird fälschlicherweise geglaubt, den Text verstanden zu haben. Auch die Übersetzer in Leichte Sprache müssen diese fachsprachlichen Texte erst einmal verstehen, um diese dann verständlicher zu machen. „Hier liegt eine große Chance der Leichten Sprache, nicht nur für Personen mit Kommunikationseinschränkungen. Texte in Leichter Sprache sind hier sehr hilfreich“, erklärt die Expertin.

Prof. Dr. Christiane Maaß

Trotz dieser gesellschaftlich wichtigen Aufgabe der Leichten Sprache sehen viele Menschen diese als Provokation. Wer Leichte Sprache benötigt, wird stigmatisiert, da er oder sie nicht in der Lage sei, den Text in der Ausgangsform zu verstehen und somit nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfüge. „Zerstörung“ der Bildungssprache und Unansehnlichkeit der Texte sind nur einige Beispiele für die Vorwürfe gegenüber den Menschen, die Texte in Leichter Sprache verfassen.

Strategien, um die „Provokationsfalle“ zu umgehen

„Besonders stark fühlen sich Leute dann provoziert, wenn sie Leichte Sprache als Bedrohung ansehen; wenn sie also annehmen, dass Texte in Leichter Sprache die Ausgangstexte ersetzen sollen.“ Doch diese „Provokationsfalle“ kann umgangen werden.

In ihrem Vortrag im Rahmen des linguistischen Nachwuchskongresses linkon am 16. Januar wird Prof. Dr. Christiane Maaß Strategien vorstellen, wie Leichte Sprache so gestaltet und eingesetzt werden kann, dass keine Provokation entsteht. „Das sind wir den Menschen schuldig, die ein Recht auf Leichte Sprache haben und diese Texte auch tatsächlich brauchen. Von mehr Verständlichkeit profitiert ein viel größerer Kreis von Personen.“

Foto: Linkon

Über die Tagung Linkon:

[linkon] - Linguistischer Nachwuchs-Kongress mit Gastvortrag von Prof. Dr. Christiane Maaß

Festsaal, Nebengebäude des Schlosses, Schlossplatz 5

10 – 16 Uhr (c.t.): Vorträge der Studierenden

16 – 18 Uhr (c.t.): Vortrag Prof. Dr. Christiane Maaß: „Leichte Sprache als gesellschaftliche Herausforderung

10 – 13 Uhr (s.t.): Postersession

Die Veranstaltung ist öffentlich und kostenlos!

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