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Fastenzeit: Der Kampf mit sich selbst

Was der Verzicht aufs Essen bewirken kann

Münsterland

Seit Aschermittwoch ist Schluss mit Genuss. Bis Ostern verzichten viele Menschen auf kleine und große Laster. Es gibt aber auch andere Arten des Fastens. Beim Heilfasten zum Beispiel wird gar nichts gegessen. Unser Redaktionsmitglied Claudia Feld hat nachgefragt, was das Fasten im Körper bewirkt, warum Menschen freiwillig auf Nahrung verzichten und welche Erfahrungen sie damit gemacht haben.

Claudia Feld

Beim Fasten ist feste Nahrung tabu - ob der Verzicht auf Speisen dem Körper gut tut oder nicht, ist jedoch umstritten. Foto: dpa

Schokolade, Zigaretten, das Feierabendbier und das Schnitzel beim Mittagessen – für viele Menschen sind diese Dinge für einige Wochen tabu. Denn es ist Fastenzeit. Einige Menschen verzichten gleich ganz auf feste Nahrung. Heilfasten wird das genannt und dauert meist eine Woche bis zehn Tage. In dieser Zeit wird nicht gegessen, sondern nur Tee und Wasser getrunken. Die Idee dahinter: Der Körper soll entgiftet werden.

Heilfasten

Der Körper und besonders der Darm muss sich auf die Fastenwoche ohne feste Nahrung einstellen können, sagt Fastenbegleiterin Lucia Pferdekamp. Deshalb werden drei Entlastungstage eingelegt, bevor es richtig los geht. Je länger die Zeit ohne Nahrung ist, desto mehr Entlastungstage gibt es. In dieser Zeit wird viel getrunken, der Körper bekommt leichte Kost mit Obst und Gemüse, Joghurt und Vollkornprodukten. Nach der Fastenwoche gibt es Aufbautage, in denen der Körper an feste Nahrung gewöhnt wird. Wer fasten möchte, sollte gesund sein, nicht schwanger sein oder stillen. Wer Medikamente nehmen muss, sollte vorher mit seinem Arzt sprechen. Weitere Infos gibt es hier.

Wandern in der Gruppe

Die Fastenbegleiterin Lucia Pferdekamp aus Nottuln wird mit ihrer Gruppe eine Woche nach der Methode von Otto Buchinger fasten. Bei diesem Fasten sind nur Flüssigkeiten wie Tee, Wasser oder Gemüsebrühe erlaubt. Außerdem bewegt sich die Gruppe von Pferdekamp in der Woche viel   – 80 bis 100 Kilometer wandern die Teilnehmer in der Fastenwoche.

Das Fasten erfüllt für Lucia Pferdekamp mehrere Funktionen: „Wir leben in einer Überflussgesellschaft. Da ist es wohltuend zu sehen, mit wie wenig wir auskommen können. Wir räumen die innere Speisekammer auf, es geht um das körperliche und seelisch-geistliche Loslassen.“ Der Verzicht aufs Essen soll außerdem ein Glücksgefühl hervorrufen.

Macht Heilfasten high?

Ob Heilfasten wirklich „high“ macht, hat der Physiker und Neurowissenschaftler Prof. Dr. Michael Deppe zusammen mit Dr. Harald Kugel und Dr. Jens Hinrichs vor rund einem Jahr an der Uni Münster untersucht. „Es gibt die Hypothese, dass beim Fasten Mechanismen angestoßen werden, die die Modulation des Belohnungssystems anstoßen, ähnlich wie Drogen“, sagt der Wissenschaftler.

Tatsächlich berichten Testpersonen nach einigen Tagen ohne festes Essen von Glücksgefühlen. Um zu testen, ob das Belohnungssystem tatsächlich Belohnungsanreize anders verarbeitete, ließen die Wissenschaftler eine Probandin Glücksspiele spielen. Je nach Höhe des möglichen Gewinns ist die Aktivität des Belohnungssystems der Testperson unterschiedlich hoch. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das: Je höher der Gewinn war, desto aktiver das Belohnungssystem und desto glücklicher war die Testperson.

„Würde Fasten wirklich ,high‘ machen, würde man erwarten, dass sich die Aktivität für eine bestimmte Gewinnhöhe von Fastentag zu Fastentag steigert“, erklärt Deppe. Rein theoretisch sei es nicht abwegig, vom Fasten „high“ zu werden, da der Stoffwechsel umgestellt werde. „Grundlegende Veränderungen im Belohnungssystem wie bei Drogen waren aber nicht zu finden“, sagt Deppe.

Prof. Michael Deppe

Fasten macht also nicht high, kann aber trotzdem glücklich machen, wie die Wissenschaftler herausfanden. „Das muss man sich so vorstellen, als wenn man eine schwere Prüfung bestanden hat. Das führt zu einem Glücksgefühl und macht kurzfristig happy“, sagt Deppe.

Drogen haben dagegen einen anderen Effekt auf das Gehirn: Sie verändern die Mechanismen im Belohnungszentrum. „Das Fasten ist ein Kampf mit sich selbst und wenn man den gewonnen hat, ist man glücklich“, sagt Deppe.

Überrascht habe ihn dieses Ergebnis nicht, sagt Deppe: „Nahrungsentzug macht auf Dauer nicht glücklich, wie man an den Milliarden hungernden Menschen weltweit sehen kann. Mein persönliches Resümee ist, dass es nicht schädlich ist, aber auch keinen allzu großen Nutzen hat.“

Wer Hunger hat, macht etwas falsch

Das sieht Fastenbegleiterin Lucia Pferdekamp anders. Für sie ist das Fasten die Chance, von Zwängen freizukommen, beispielsweise zwischen den Mahlzeiten zu naschen. „Fasten ist auch eine religiös-spirituelle Erfahrung. Es geht auch darum zu fragen, wo ich in meinem Leben angekommen bin“, sagt Pferdekamp. Allerdings sei beim Fasten auch Vorsicht geboten. Wer zu wenig trinkt in der Fastenwoche oder nicht richtig abführt, riskiert Probleme mit dem Kreislauf, Kopfschmerzen und Unwohlsein. 

Auch ein Hungergefühl sei ein Zeichen von falschem Fasten, sagt Pferdekamp. Außerdem solle man sich Zeit nehmen und sich intensiv mit dem Körper auseinandersetzen.

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