Kommentar: Schleichende Gefahr der Corona-Krise
Antisemitismus online
Es ist eine bedrückende Wahrheit: Mit dem Coronavirus verbreitet sich auch der Antisemitismus in Deutschland. Ein Kommentar.
Hass und Hetze fluten die sozialen Medien. Es ist ein altes Muster: Offenbar auf der Suche nach einem „Sündenbock“ werden Juden und der Staat Israel für die Ausbreitung des Coronavirus verantwortlich gemacht, warnte die Deutsch-israelische Gesellschaft bereits Anfang April. Ihnen werde unverhohlen „in klassischen antisemitischen Bildern auch einer so skizzierten ,Jüdischen Weltverschwörung‘ wirtschaftliche Absichten in der Verbreitung des Virus unterstellt“.
Trauriger Höhepunkt war der 20. April: Eine Online-Gedenkveranstaltung der Israelischen Botschaft in Deutschland am nationalen israelischen Gedenktag für die Opfer der Schoah wurde für antisemitische Hetze missbraucht. Der israelische Botschafter Issacharoff teilte mit, die Angreifer hätten sich in eine Zoom-Videokonferenz der Botschaft in Israel eingeschaltet, Hitler-Fotos gepostet und antisemitische Parolen verbreitet. Besonders abstoßend: Damit unterbrachen sie die Schilderung des Holocaust-Überlebenden Zvi Herschel.
Dies ist kein Einzelfall, sondern offenbar Teil einer Strategie. Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) in Berlin beobachtet einen wachsenden Online-Antisemitismus durch sogenanntes „Zoom-Bombing“ während Webinaren und Videokonferenzen mit Juden. „Aus rechtsextremen Kreisen in den USA gibt es gezielte Aufrufe zum Stören von Webinaren mit Juden oder Jüdinnen“, sagte RIAS-Mitarbeiterin Pia Lamberty dem Evangelischen Pressedienst.
Antisemitische Verschwörungsfantasien verlagern sich aber mit der Corona-Krise auch auf die Straße, berichtet RIAS weiter. So seien bei den „Hygienedemos“ in Berlin oder ähnlichen Protesten anderswo mehrfach Schutzmasken mit gelbem Stern aufgetaucht, in dessen Mitte „Impfgegner“ oder „ungeimpft“ stand. Das alles bleibt nicht ohne Wirkung: Seien es dumme Witze, sei es das Bedienen von Stereotypen – sie schaffen derzeit „eine Beklemmung in unserer Mitte“, beklagt Ronald S. Lauder, Präsident des World Jewish Congress. Es ist deshalb gerade jetzt dringende Aufgabe der gesamten Gesellschaft, neben dem Virus auch die Ausbreitung des Antisemitismus einzudämmen.
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