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Scholz versucht in Indien einen Spagat

Wirtschaft versus Moral

Wirtschaftliche Vernunft und politisch angemessenes Handeln sind seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine schwerer unter einen Hut zu bringen. Das hat sich jetzt auch bei Indien-Reise von Kanzler Olaf Scholz gezeigt.

Bundeskanzler Olaf Scholz warb in Indien um Fachkräfte. Foto: dpa

Schon Wirtschaftsminister Robert Habeck musste mit den Scheichs in Katar kooperieren, um mit deren Flüssiggas die deutsche Energiekrise zu mildern – in dem Bewusstsein, dass die Verhandlungspartner in puncto Menschenrechte den Schurkenstaaten der Welt zuzurechnen sind.

Ähnliche Wege beschreitet der Kanzler, wenn er Indiens Premierminister Narendra Modi wirtschaftliche Kooperationen anbietet, wohlwissend, dass der im Ukraine-Krieg eher aufseiten des Aggressors steht und die Sanktionen der westlichen Verbündeten konterkariert.

Doch Deutschland braucht dringend neue Absatzmärkte mit Zukunft, um sich aus der einseitigen Abhängigkeit von Exporten gen China zu befreien. Ein Freihandelsabkommen mit dem schon in Kürze bevölkerungsreichsten Land der Erde würde den Unternehmen hierzulande mittel- und langfristig eine glänzende Per­spektive bieten.

Mindestens so wichtig ist die Werbeoffensive des Kanzlers in der indischen Hightech-Hochburg Bangalore, die die Zuwanderung von IT-Fachkräften nach Deutschland verstärken soll. Qualifizierte Inder zieht es – vor allem wegen der fehlenden Sprachbarriere – insbesondere ins ehemalige Mutterland Großbritannien. Dennoch lohnt sich der Lockruf Scholz’.

Zuvor hatten bereits Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze in Westafrika um Fachkräfte für das deutsche Handwerk und einfachere Tätigkeiten in der Industrie geworben – und die Ausbildung junger Menschen vor Ort unter deutscher Regie versprochen.

Auch wenn das stärkere Engagement bei der Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften sehr spät kommt: Richtig und wichtig ist es dennoch. Die Hoffnung, die extreme Expertenlücke allein durch Nutzung inländischer Potenziale wie arbeitslose Jugendliche, Frauen und Rentner schließen zu können, ist illusorisch.

Eine der größten Bremsen für die deutsche Wirtschaft ist die schleppende Digitalisierung des Landes. Neben politischen Versäumnissen hat dieses Defizit auch eine Ursache im Mangel an IT-Fachleuten. Hier auf Zuwanderung aus Indien zu setzen, ist sicher ein vielversprechender Schritt.

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