Rechter Aufmarsch in Münster
24 Festnahmen bei Nazi-Demo - Demonstranten kritisieren Polizei
Münster
Mehr als 5000 Menschen haben am Samstag weitgehend friedlich gegen einen rechten Aufmarsch in Münsters Stadtteil Rumphorst demonstriert. Dabei wurden sechs Personen verletzt, darunter vier Polizisten. Das teilte die Polizei Münster am Samstagabend in einer Bilanz mit. Das Bündnis "Keinen Meter den Nazis" kritisierte unterdessen "martialisch auftretende Polizeieinheiten", die die Demonstrationen massiv behindert hätten.
Zudem sei ein 20 Jahre alter Gegendemonstrant in der Höhe "Stettiner Straße" schwer verletzt worden. Es habe sich dabei um einen der Flaschenwerfer gehandelt. Als die Beamten ihn festnahmen, erlitt er schwere Verletzungen im Gesicht und musste in ein Krankenhaus gebracht werden.
Insgesamt wurden 24 Personen festgenommen, vor allem weil sie Körperverletzung begangen oder Widerstand geleistet hatten, so die Polizei. Die Polizisten gingen in einigen Fällen mit Schlagstöcken und Pfefferspray vor. 32 Menschen nahm die Polizei in Gewahrsam. "Unsere Botschaft war von Anfang an: Friedlicher Protest ja, Gewalttätern erteilen wir eine klare Absage", sagte der Einsatzleiter der Polizei, Rainer Schieferbein. Festgenommen wurden unter anderem zwei rechte Demonstranten. Die Polizei hatte sie vor Demobeginn durchsucht und Pyrotechnik und ein Messer bei ihnen gefunden.
Die Stimmung im Stadtteil Rumphorst war während der gesamten Demonstration angespannt. Als die über 300 Nazis gegen 15 Uhr zur Kundgebung an der Ecke "Hoher Heckenweg"/"Kösliner Straße" zusammenkamen, blieb es noch ruhig. Erst als die Rechten die Ecke Joseph-Haydn-Straße/Markweg erreicht hatten, flogen Flaschen aus Vorgärten. Für einen Moment befürchtet die Polizei eine Eskalation.
Polizeipräsident Hubert Wimber betonte, dass die Polizei den Demonstranten so häufig wie möglich die Möglichkeit gegeben habe, den Rechten gegenüber ihren Unmut zu äußern. Er schloss den Tag mit den Worten: "Der rechte Spuk in Münster ist vorbei."
Bereits kurz vor Beginn des Demozuges war es zu Unruhen gekommen. An der Stettiner Straße hatten linke Gegendemonstranten mit Steinen und ebenfalls mit Flaschen geworfen. Der Nazi-Zug hatte sich zunächst von der Staße "Im Hagenfeld" Richtung "Hoher Heckenweg" bewegt. Dort gelang es etwa 50 Gegendemonstranten, die Straße mit einer Sitzblockade zu besetzen und den Zug so aufzuhalten. Unter Schutz der Polizeibeamten mussten die Nazis an den Blockaden vorbei geführt werden. Auf der Höhe "Hoher Heckenweg" begrüßte sie dann ein Pfeifkonzert von etwa 5000 Gegendemonstranten. Absperrungen trennten die beiden Parteien voneinander. Es bestand jedoch für etwa zehn Minuten Blickkontakt. Auch hier hatte die Polizei gleich zwei Wasserwerfer in Stellung gebracht.
Am Morgen hatte es heftigere Unruhen gegeben, als etwa 150 gewaltbereite Protestler aus dem linken Lager versuchten, eine Absperrung an der Telemannstraße zu stürmen. Die Polizei nahm aufgrund der Aktion sieben Personen fest. Einen zweiten Versuch starteten die Linken am Mittag an der Joseph-Haydn-Straße. Hierbei wurden zwei Polizisten verletzt. Die Beamten hatten in beiden Fällen Pfefferspray eingesetzt.
Bündnis "Keinen Meter den Nazis": "Tag von Polizeigewalt überschattet
Das Bündnis "Keinen Meter den Nazis" kritisierte indes in einer Pressemitteilung ein "skanalöses Auftreten der Polizei", das nicht ohne Folgen bleiben dürfe. "Versuche, sich von außen den Absperrungen zu nähern, führten immer wieder zum Einsatz von Knüppeln und Pfefferspray. Ernsthafte Verletzungen von friedlichen Demonstrierenden wurden dabei provoziert oder zumindest billigend in Kauf genommen", so das Bündins weiter.
In Sprakel räumte die Polizei einen Zug von Osnabrück über Rheine nach Münster. Sie vermutete darin gewaltbereite, rechte Demonstranten, was nach Polizeiangaben auch Zugbegleiter der Bundespolizei bestätigt hatten. Als die 120 Personen sich nicht mit Bussen zu einer der Gegendemonstrationen bringen lassen wollten, kam es zu Auseinandersetzungen, bei denen vier Personen festgenommen wurden. "Im Zug fanden die Beamten eine Vielzahl von pyrotechnischen Gegenständen, Reizgas sowie Schlag- und Vermummungsmaterial", so die Polizei. Ein Polizeisprecher wies darauf hin, dass die Behörden das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch für die Neonazis schützen müssten.
Das Bündnis "Keinen Meter den Nazis", zu dem mehr als 100 Organisationen, darunter Parteien, Gewerkschaften, kirchliche Gruppen und Sportvereine zählen, kritisierte: "Auch sie wurden in der Ausübung ihres verbrieften Rechts auf Versammlungsfreiheit massiv eingeschränkt." Erst mithilfe eines Anwalts sei ihnen die Anreise nach Münster erlaubt worden.
Doch so sah es nicht überall aus. „Die ganz überwiegende Mehrheit der Demonstranten bringt ihren Protest gegen die Neonazis aber friedlich zum Ausdruck“, sagte Polizeisprecher Jan Schabacker am Samstag.
Friedliche Proteste
Über 5000 Menschen sind auf die Straßen gegangen, die meisten von ihnen versammelten sich an der Ecke Piusallee/Hoher Heckenweg. Oberbürgermeister Markus Lewe sprach auf der dortigen Kundgebung: "Es ist beschämend, dass wir hier sein müssen, nur weil es einige noch nicht verstanden haben." Zudem sagte er: "Ich empfinde es als eine Bereicherung, dass in Münster Menschen aus 160 Nationen friedlich zusammenleben."
Auch Heinz Rittermeier, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Münster, meldete sich zu Wort. Er forderte ein Verbot der NPD. Spyros Marinos, Vorsitzender des Ausländerbeirates äußerte sich im Rahmen der Kundgebungen zur Mordserie der Zwickauer Terrorzelle: "Bei der Gründlichkeit der Deutschen, hätte diese Panne nicht passieren dürfen."
Hubschrauber über Rumphorst
Die Polizei war den ganzen Tag über mit Hunde- und Reiterstaffeln unterwegs. Zudem kreisten Hubschrauber über Rumphorst. Weite Teile des Stadtteils waren gespenstisch leer. Viele Menschen schienen ihre Häuser am Tag der Demonstration verlassen zu haben.
Die, die dablieben, machten ihrem Ärger mit Plakaten Luft. Die Straße "Im Hagenfeld" war übersät mit Spruchbändern, auf denen Worte wie "Braun ist scheiße" und "Stoppt Nazis" zu lesen. An fast jedem Fenster in den Häusern der Straße klebten Aufkleber mit der Aufschrift "No Nazis". Andere hatten die Namen von Menschen aufgelistet, die den Grauen von Auschwitz zum Opfer gefallen sind.
Zudem hatten sich etwa 20 Protestler bereits früh am Tag auf den Weg nach Rumphorst gemacht, um dort mit einer Sitzblockade die Ankunft der Rechten zu verhindern. Polizeibeamte schirmten die Blockade ab, während die ersten Neonazis ankamen. Diese wurden in kleinen Gruppen zum Startpunkt der Demo geschleust und im Vorfeld von Polizeibeamten durchsucht.
Auch am Hauptbahnhof Münster war es zwischenzeitlich zu Blockaden gekommen. So hielten etwa 50 Aktivisten der antifaschistischen Aktion ab 11 Uhr den mittleren Bereich von Gleis 8 besetzt. Eine Hundertschaft der Polizei hatte das Gleis abgesichert. Gleichzeitig besetzte eine spanischsprechende Gruppe von etwa 20 Jugendlichen Gleis 9.
Züge aus Rheine wurden an diesem Tag gar nicht bis zum Hauptbahnhof durchgelassen. An der Station Sprakel war Schluss. Die Passagiere wurden von dort mit Bussen weiter Richtung Stadt gebracht. Von den Behinderungen im Bahnverkehr waren nicht nur die Demonstranten betroffen. Auch etliche Fußballfans und weitere Reisende, die aus Rheine kommend nach Münster wollten, mussten mit dem Bus weiterfahren. Die Verärgerung unter den Bahnfahrern war groß.
Auf der Promenade in Münster hatten sich bereits ab 10.30 Uhr etwa 300 Menschen vor der Synagoge versammelt, um unter anderem Ferdinand Schumacher von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit zu lauschen. Er rief dazu auf, rechte Bewegungen weiter zu bekämpfen. "Wer hier spart, spart am falschen Ende", sagte er. Zudem wurde die Forderung laut, Nazis "keinen Meter" zu geben.
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