Auktionator Eric Wilbois sammelt kunstvolle Dinge
Alles, nur kein Laminat!
Münster
Seit 40 Jahren versteigert Eric Wilbois Kunst: Nachlässe, wertvolle Stücke aus Haushaltsauflösungen, eigentlich alles, was so an kostbaren Dingen aus privater Hand stammt.
Eric Wilbois blickt auf die Stapel an Teppichen, die mitten in seinem Geschäft lagern. „Junge Leute legen sich das nicht mehr hin“, bedauert der 68-Jährige aufrichtig. Fast liebevoll streicht er über die zusammengefaltete Seide, darunter schlummert ein Orientteppich. Wilbois weiß um deren Wert, aber kennt die heutige Zeit: „Die jungen Leute wollen Laminat von Ikea.“
Damit kann der Auktionator und Kunst-Sachverständige nun so gar nicht dienen – und will das auch nicht hier in seiner Welt. Seit 40 Jahren versteigert Wilbois Kunst: Nachlässe, wertvolle Stücke aus Haushaltsauflösungen, eigentlich alles, was so an kostbaren Dingen aus privater Hand stammt. Manchmal kommt der Auftrag direkt von der Bank, wenn der Schuldner nicht mehr zahlen kann.
Eigentlich wollte Wilbois Journalist werden, als er einst mit seiner weißen Ente aus Trier nach Münster rollte – zum Publizistik-Studium. Eher zufällig verschlug es ihn dann in den Kunstmarkt. Nach dem Besuch seiner ersten Auktion 1975 in Saarbrücken nahm alles seinen Lauf – „als damals mit 28 Jahren jüngster Kunst-Auktionator Deutschlands“. Anfangs noch mit seiner Frau, die früh verstarb, und einem Kompagnon, den danach dasselbe Schicksal ereilte.
In seinem Geschäftsraum an der Buddenstraße 27 unweit der Pinkus-Brauerei ist dieser Tage kaum ein Durchkommen. Wilbois` nächste Auktion, die 109. in seinem Berufsleben, wirft ihre Schatten voraus. Nicht nur, weil dabei am 2. April (ab 11 Uhr) unter anderem Gegenstände der 2014 verstorbenen Holocaust-Überlebenden Marga Spiegel unter den Hammer kommen, darunter Dali- und Chagall-Lithographien sowie Porzellan.
In den Vitrinen stehen Schalen und Figuren: „Meissen“, nickt Wilbois anerkennend. Daneben lächeln Puppen hinter Glas. In der Ecke lassen einige Marionetten Arme und Beine baumeln. Gegenüber von den Ölbildern kleiden gerahmte Stiche mit historischen Ansichten die Wand – alle nummeriert. „Restanten“, sagt Wilbois und scheint nicht unzufrieden, dass manches am Ende des Tages doch noch bei ihm bleibt. Schließlich liegen Geschäft und Zuhause nah beieinander.
Auf der Buddenstraße ist Wilbois schon seit Mitte der 70er-Jahre ansässig. Das Fachwerkhaus, das ihm gehört, hat er selbst renoviert: „1992 war ich fertig.“ Unter der Holztreppe, die nach oben in seinen 45 Quadratmeter großen Wohnbereich führt, steht eine glänzende, handpolierte braune Nussbaum-Kommode: „Mitte 18. Jahrhundert“.
Früher hätte man dafür wohl bis zu 12 000 Mark bekommen können. Jetzt ist Wilbois mit schon 1200 Euro zufrieden. „Heute sind kaum noch verlässliche Prognosen möglich.“ Die Zeiten ändern sich: „Die Anzahl der Erbfälle wird immer mehr, die Margen werden immer kleiner.“ Nachschub zu bekommen sei also kein Problem. Doch immer weniger Menschen interessieren sich für kunstvolle handgefertigte Dinge, wie Wilbois sie mag und vor allem schätzen kann. Schließlich darf er sich sogar von der Industrie- und Handelskammer vereidigter Sachverständiger nennen.
Die Auktion, in der der Spiegel-Nachlass mit fast 400 anderen Dingen mitversteigert wird, ist eine Premiere: die allererste an der Buddenstraße. Bislang zählten die Versteigerungen andernorts 1000 Positionen, doch Wilbois will in den kommenden Jahren kürzer treten. Gleichwohl rechnet er diesmal mit großem Zuspruch: „Hoffentlich stellen wir kein Verkehrshindernis dar“, sagt Wilbois und lässt den Blick durch das gerammelt volle Ladenlokal schweifen. „Karsamstag haben wir alles aufgebaut.“
Vieles läuft heute in seinem Gewerbe übers Internet. Wilbois fällt das schwer, diesen Trend zu begreifen „Ich würde nicht etwas kaufen, das ich nicht in der Hand gehabt habe.“ Ein bisschen schwingt da alte Schule mit. Erst recht, wenn Wilbois auf die zwielichtigen Gestalten im Kunsthandel zu sprechen kommt: „Wer einmal betrügt, hat für alle Zeiten zu viel betrogen.“
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