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Kleine Bahnhofstraße

Anlieger erschüttert: „So schlimm war es hier noch nie“

Münster

Drogen, Lärm, Müll – so schlimm wie jetzt war die Situation an der Kleinen Bahnhofstraße noch nie, kritisieren die Anlieger. Sie fordern von Stadt und Polizei, mehr zu tun.

Martin Kalitschke

Blick aus einer der Anliegerwohnungen an der Kleinen Bahnhofstraße auf das Grundstück, auf dem sich bis vor Kurzem eine Westfalen-Tankstelle befand (siehe Karte, grünes Kreuz). An manchen Tagen halten sich hier mehr als 50 Personen auf, berichten die Anwohner. Foto: kal

„So schlimm wie jetzt war es hier noch nie.“ Die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, weil sie Angst hat, muss es wissen – sie wohnt mit ihrem Mann seit 47 Jahren in der Kleinen Bahnhofstraße. Die Seniorin blickt aus dem Wohnzimmerfenster, schaut auf den Bürgersteig gegenüber. Ihr Blick fällt auf Menschen mit Bierflaschen in der Hand, Müllberge, ein Mann uriniert an eine Hauswand. Ein paar Meter weiter stehen mehrere junge Männer, „das sind Dealer“, sagt ihr Mann, „die stehen da jeden Tag“.

Es ist 18 Uhr, neben den beiden Senioren haben sich fünf weitere Anlieger in der Wohnung einer Nachbarin eingefunden. Sie alle haben freien Blick auf die Szene, wenn sie die Gardinen ein wenig zur Seite ziehen. Eine Szene, die es hier schon seit Jahren gibt – die sich aber seit dem Abriss der Westfalen-Tankstelle deutlich verändert hat, wie alle betonen.

Drogen auf Pappteller

„Früher“, sagt eine junge Frau, die an der Kleinen Bahnhofstraße aufwuchs, „waren hier nur Obdachlose, mit denen kamen wir gut zurecht“. Doch seit ein paar Monaten sei alles anders. Zu den Obdachlosen seien jüngere Menschen hinzugekommen, von denen keiner der Anwohner weiß, wo sie herkommen. Vor allem aber hätten sich Drogendealer und ihre Kunden breitgemacht.

Foto:

„Links stehen die Osteuropäer und verkaufen Amphetamine, rechts handeln die Nordafrikaner mit Gras“, sagt eine weitere Anliegerin und zeigt auf die Straße. Vor aller Augen werden jetzt auch Drogen verkauft. „Die Dealer lagern sie dort in den Büschen“, sagt ein weiterer Anlieger. Das könne man Tag für Tag beobachten, die Nachbarn bestätigen seine Aussage. „Eine Pille Ecstasy kostet fünf Euro“, sagt eine weitere Seniorin. „Das habe ich gestern mitbekommen, als ich vom Einkaufen kam.“

Die junge Frau berichtet, dass ein Dealer in der vergangenen Woche eine Drogenauswahl auf einem Pappteller präsentiert habe. „Als wolle er etwas zum Probieren anbieten.“ Sie schüttelt den Kopf, wirkt, als ob sie nichts mehr erschüttern könnte.

Anlieger kritisieren Stadt und Polizei

Keine 200 Meter entfernt steht der neue Hauptbahnhof. Wer von dort Richtung Stadt geht, bekommt von dem, was in der Kleinen Bahnhofstraße geschieht, nichts mit. „Wir haben Angst“, sagt die Seniorin. „Ich werde regelmäßig sexuell angemacht“, sagt die junge Frau. Lärm, Gewalt, Menschen, die im Drogenrausch die Hosen fallen lassen – auch dies sei Alltag, berichtet sie.

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Stadt und Polizei tun nach ihrer Einschätzung nicht genug, um die Situation zu verbessern, kritisieren die Anlieger. „Wenn ich beim Ordnungsamt anrufe, dann heißt es, die einzig verfügbare Streife sei gerade auf dem Markt“, berichtet die Seniorin. Ihr Mann fragt sich, „warum die Polizei das Treiben vor unserer Haustür toleriert“.

„Vor einiger Zeit gab es zwar eine große Razzia“, sagt die junge Frau. „Doch ein paar Stunden später sah es hier schon wieder so aus wie immer.“

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