Münsters britische Partnerstadt York
Brexit plus Corona: „Es ist deprimierend“
Münster/York
Großbritannien ist raus aus der EU – und damit auch Münsters Partnerstadt York. Renni Prelle und die Inititive „York4Europe“ haben jahrelang dagegen gekämpft. Jetzt überschattet die dramatische Corona-Lage den Brexit-Schlamassel.
Renni Prelle, Physiotherapeutin aus Münsters britischer Partnerstadt York, findet für den Moment nur eine Zustandsbeschreibung: „Es ist schrecklich hier“, seufzt Prelle – und für sie sind es im neuen Jahr gleich zwei schlimme Entwicklungen: Seit dem Jahreswechsel explodiert erneut die Corona-Pandemie in York. Und ihr Land ist nun wirklich raus aus der EU. Dagegen hatten Renni Prelle und ihre Mitstreiter in der Initiative „York4Europe“ jahrelang gekämpft.
Dabei ist der Brexit, das ewige Thema Nummer eins in der britischen Öffentlichkeit, gerade gar kein Thema. Kaum in den nationalen Medien, auch nicht in York, das auf der Corona-Karte derbritischen Gesundheitsbehörde ein tiefroter Fleck ist. Am Mittwoch betrug der Inzidenzwert in York 497, fast 61.000 Briten steckten sich insgesamt innerhalb eines Tages an.
„Es ist deprimierend“, seufzt Renni Prelle am Telefon. Sie ist gerade vom Einkaufen zurückgekommen – „im kleinen Supermarkt in unserer Nähe hier sah es aus, als ob gar nicht geliefert worden wäre“, erzählt sie und weiß nicht, ob das wegen der neuen Zollbestimmungen nach dem Brexit oder wegen des Ansturms nach dem neuerlichen harten Lockdown in ganz Großbritannien ist.
Studenten beklagen Erasmus-Aus
Großbritannien, das ist jetzt auch ihr Land: 2020 ist Renni Prelle, die eigentlich aus Celle stammt und seit fast 23 Jahren im United Kingdom lebt, britische Staatsbürgerin geworden. Notgedrungen, wie sie sagt – aber nur im vergangenen Jahr galt die Übergangsbestimmung, dass EU-Bürger zusätzlich zum britischen Pass auch den ihres Heimatlandes behalten dürfen.
„Meine deutsche, die EU-Staatsbürgerschaft hätte ich nie aufgegeben“, erklärt Renni Prelle, die mit einem Briten verheiratet. Die Gruppe „York4Europe“ ist momentan nicht mehr sehr aktiv. Auf deren Facebookseite beklagen aktuell Studierende, nicht mehr am Erasmus-Programm teilnehmen zu können. Auch Prelles 19-Jähriger, derzeit im Yorker Kinderzimmer vor dem Laptop studierender Tochter ist dieser Weg nun verwehrt.
Auf Boris Johnson ist Prelle alles andere als gut zu sprechen. Er habe nicht nur die Folgen des Brexits heruntergespielt, auch seine Corona-Politik sei ein einziges Debakel. Bis vor wenigen Tagen galten in Großbritannien drei Alarmstufen je nach regionaler Inzidenz.
Hoffen auf bessere Zeiten
„Es sah nicht schlecht aus bei uns in York“, sagt Prelle, die Inzidenzzahl lag vor Weihnachten bei rund 60, Geschäfte und Restaurants waren geöffnet. Die Folge: Die Menschen aus den stärker mit Corona betroffenen Regionen ringsum strömten nach York, um dort die erlaubten Freiheiten zu nutzen, erzählt Renni Prelle.
Sie hofft jetzt auf bessere Zeiten – auch mit Blick auf Europa. Schon jetzt hätten viele EU-Bürger die Stadt verlassen, auch viele Osteuropäer, die in schlecht bezahlten Jobs gearbeitet hätten. „Sie werden uns bald sehr fehlen.“ Das Motto der Initiative „York4Europe“ laute weiterhin: „Rejoin“.
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