13. „Forum an der Piusallee“ der Katholischen Hochschule
Die Struktur hinter dem Missbrauch
Münster
Missbrauch hat System: Im Gesprächsformat „Forum an der Piusallee“ nahm die Katholischen Hochschule Münster die institutionelle Seite von Missbrauchsdynamiken in den Blick – zusammen mit namhaften Gästen.
Immer wieder sind Missbrauchsfälle in den Schlagzeilen. Der Fokus liegt dann meist auf den Opfern, auf den Tätern und erzeugt Wut, Scham und Betroffenheit. Ohne diesen wichtigen Fokus zu vernachlässigen, hat die Katholische Hochschule am Dienstagabend das Thema um eine Perspektive erweitert. Im Gesprächsformat „Forum an der Piusallee“ nahm sie die institutionelle Seite von Missbrauchsdynamiken in den Blick – zusammen mit renommierten Gästen.
Prof. Dr. Thomas Großbölting, langjähriger Geschichtsprofessor an der Uni Münster und nun an der Uni Hamburg, und der britisch-deutsche Regisseur und Autor Christoph Röhl diskutierten über die Strukturen und Kulturen von Grenzverletzungen in Organisationen am Beispiel der katholischen Kirche und der Odenwaldschule.
Preisgekrönter Filmemacher
Röhl schuf 2011 mit dem Dokumentarfilm „Und wir sind nicht die einzigen“ ein eindrückliches Zeugnis über die Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule, an der er selbst kurzzeitig als Tutor arbeitete. Außerdem widmete er dem Thema mit „Die Auserwählten“ einen Spielfilm. Großbölting ist Wissenschaftlicher Leiter der Missbrauchsstudie im Bistum Münster.
Weltumspannende Institution Kirche auf der einen, kleine Schule auf der anderen Seite – dennoch gebe es strukturelle Gemeinsamkeiten bei den Missbrauchsfällen, erzählten die beiden am Rande der Veranstaltung. Charismatische Machtfiguren beispielsweise. Pfarrer hier, Schulleiter dort. Asymmetrische Machtverteilung. „Oder die Stilisierung der Gemeinschaft zu etwas ganz Besonderem“, so Großbölting, der die Rolle der Gruppendynamik in einer Institution mit einem Zitat aus dem Film „Spotlight“ greifbar machte: „Wenn ein ganzes Dorf nötig ist, um ein Kind großzuziehen, dann ist auch ein ganzes Dorf nötig, um eines zu missbrauchen.“
Missbrauch nicht als Einzelfall abtun
Zwischen den Missbrauchsfällen in der Odenwaldschule und der katholischen Kirche gebe es zwar auch Unterschiede, zum Beispiel in der Form der Vertuschung und in der Sexualmoral, sagte Röhl, doch für beide Beispiele gelte die Überschrift der Veranstaltung: „Missbrauch hat System“.
Und die Lösung? Die Strukturen seien nicht mal eben mit einer Transparenzoffensive aufzubrechen, aber wenn Taten nicht als Einzelfälle abgetan, sondern als Symptome eines Systems erkannt und behandelt würden, wäre das ein Fortschritt, so Großbölting.
Prof. Ursula Tölle, Begründerin der Gesprächsreihe und Teil des Moderatoren-Duos zusammen mit Prof. Sebastian Laukötter, betonte, dass die Veranstaltung nicht nur vom Standort Münster, sondern vom Rektorat der viergliedrigen NRW-Hochschule getragen werde, weil ihr es wichtig sei, als katholische Hochschule einen öffentlichen Diskurs zu dem herausfordernden Thema anzubieten.