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Interview mit Bosse

Er wäre so gerne mal Willie Nelson

Münster

Anfang des Jahres ist „Engtanz“, das mittlerweile sechste Album, von Bosse erschienen. Es erreichte die Spitzenposition in den deutschen Charts. Ende November präsentiert die Band die neuen Songs in der Halle Münsterland. Unser Redakteur Carsten Vogel hat mit Sänger Aki Bosse gesprochen.

Carsten Vogel

Bosse-Sänger Axel „Aki“ Bosse wohnt in Hamburg, ist aber Fan von Eintracht Braunschweig. Seine nach ihm benannte Band Bosse hat bereits sechs Alben veröffentlicht und tritt im Rahmen der aktuellen Tour auch in Münster auf. Foto: Marco Sensche

Kennst du den Begriff „Schwofen“?

Aki Bosse: Ja, den kenne ich.

Dann vollende doch bitte mal folgenden Satz: Engtanz verhält sich zu Schwofen wie…

Bosse: Wie ein Aal zu einer Scholle.

Also gar nicht? Beides sind zwar Fische (lacht)

Bosse: (lacht) Ja, genau. Es ist dasselbe Gefilde, nur die Form ist anders. Das mit dem Aal ist jetzt vielleicht zu sexuell gewesen (lacht). Der Engtanz kann etwas flotter sein, während das Schwofen fast schon eine Vorstufe zum Petting ist.

Also Schwofen ist eher der Aal…

Bosse: (lacht) Das ist mir vorhin nur so rausgerutscht, die Frage hat mir vorher noch keiner gestellt.

Ich verbinde mit Schwofen oder Engtanz immer holzgetäfelte Keller und schlimmste 80er-Jahre-Musik…

Bosse: Wir sind da fast ein Alter. Ich bin auch auf dem Dorf sozialisiert. Und ja, irgendwann nach Flaschendrehen und Fusel haben wir dann zu Faith No Mores „Easy“ abgedanct. Das Witzige ist ja, dass es heute wieder Engtanz-Partys gibt. Im „Picknick“ in Berlin oder gerade auch hier in Hamburg gibt es eine offene Küche, da schiebt nach dem Essen und viel Rotwein der Wirt die Tische beiseite, legt auf und dann dancen coole erwachsene Leute dort eng zusammen.

Aber jetzt nicht mit einer Orange zwischen Stirn und Stirn…

Bosse: Nein, das nicht. Obwohl, wer weiß… (lacht)

Du engagierst dich sozial für Pro Asyl beispielsweise. Wenn du dir jetzt die letzten beiden Wahlen anschaust, dann muss dir doch übel werden, oder?

Bosse: Ja, natürlich. Musik steht im Allgemeinen für Offenheit, für Empathie und fürs Miteinander. Musik sollte - wie auch der Sport - verbinden. Früher habe ich eher im Stillen geholfen. Als jetzt aber die ersten Flüchtlinge in Hamburg angekommen sind, habe ich gesehen, dass die Kleiderkammer - Hanseatic Help - das sehr gut macht, aber finanzielle Unterstützung benötigt. Ich habe dann meine Tour verlängert, ein Konzert in der Großen Freiheit gespielt und knapp 50.000 Euro eingespielt. So habe ich festgestellt, dass es nicht schwer ist, wirklich helfen zu können.

Das ist ja auch für dich ein gutes Gefühl…

Bosse: Ich bin genau deshalb als Musiker angetreten, um etwas bewegen zu können. Meine Musik ist zwar gesellschaftlich, aber nicht wirklich politisch. Ich hätte mir gewünscht, dass andere erfolgreichere Dreifach-Platin-Musiker, die mehr und auch andere Leute ansprechen können, sich politisch geäußert hätten. Ich glaube, dass ich etwas bewegen konnte, andere aber richtig etwas bewegen hätten können.

Stell dir vor, eine Fee käme vorbei und würde dir den Wunsch erfüllen, für einen Tag ein anderer Musiker sein zu dürfen. Wer möchtest du sein?

Bosse: Da gibt es viele, aber ich glaube, ich würde gerne Willie Nelson sein. Das ist der größte Songwriter überhaupt, der hat schon soviel für andere geschrieben, ich glaube, er ist der erfolgreichste Musiker Nordamerikas. Ein County-Star, ein alter Opa mit einem Golfplatz und der Erfinder des E-Joints, weil er gerne auch im Flugzeug kiffen wollte (lacht). Willie Nelson ist für mich einfach faszinierend.

Ich lese ja immer, dass Thees Uhlmann oder Bosse der deutsche Bruce Springsteen sei… Was ist das eigentlich für ein Unfug?

Bosse: Ich weiß auch nicht, wer sowas schreibt. Man muss oft schmunzeln. Von uns jedenfalls keiner. Bei mir könnte ich es noch verstehen, wegen des Nachnamens. Das „E“ ist bei mir ein Buchstabe zuviel, um cool zu sein (lacht).

Es gibt ja sowohl das Festival als auch die Begrifflichkeit der „neuen deutschen Poeten“. Geht dir das schon auf den Geist, in diese Schublade gesteckt zu werden?

Bosse: Zum einen bin ich jetzt 36 Jahre alt, Bosse gibt es seit 14 Jahren. Wer das noch „neu“ findet, der hat nicht richtig auf die Uhr geguckt (lacht). Zum anderen gibt es Vieles, was ich musikalisch heute scheiße finde, und anderes, was richtig gut ist - so war das aber eigentlich schon immer -, sodass ich mich da in Teilen zugehörig fühle und in Teilen nicht.

Ist das auch so mit Niedersachsen, Hamburg und Berlin? Sitzt du da auch zwischen den Stühlen?

Bosse: Meine Frau ist Türkin und wir haben auch mit unserem Kind schon in der Türkei gelebt. Deshalb habe ich mir gesagt: Mein Zuhause ist da, wo der Kung-Fu-Verein meiner Tochter ist. Und das ist aktuell Hamburg. Aber ich kann auch noch so oft auf St. Pauli sein: Wenn es um Fußball geht, habe ich in Braunschweig ein Heimatgefühl. Da wird man hineingeboren.

Live

Bosse live in der Halle Münsterland: 26. November, ab 20 Uhr.

Was machst du denn, wenn beide gegeneinander spielen?

Bosse: Dann stehe ich mit einem Eintracht-Schal in der Pauli-Kurve (lacht).

Bist du eher ein Bauch- oder eher ein Kopfmensch?

Bosse: Bauch finde ich eigentlich besser. Es ist ja ein alter Hut: Ich bewundere Leute, die immer alles vernünftig machen, aber auf der anderen Seite eben auch wieder nicht. Ich mag Intention und die ist erstmal aus dem Bauch. Das hat auch mit Mut zu tun. Und trotzdem findet man - gerade weil man denkt - an jeder Sache immer auch einen Haken (lacht).

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