Stomaversorgung
Starthilfe in die Selbstständigkeit
Münster
Sie ist noch oft mit einem Stigma behaftet und bewegt sich gerne im Bereich der Tabuthemen: die Stomaversorgung. Wie lässt es sich mit einem Stoma, einer künstlichen Körperöffnung, leben? Heutzutage in jedem Fall besser als noch vor 30 Jahren.
Das Material des Stomas ist vielfältiger ausgerichtet, hautfreundlich und mit einem Aktivkohlefilter ausgestattet, so dass Luft entweichen kann, während Gerüche nicht nach außen dringen.
Vor unserer Hilfe ist man nirgendwo sicher“, erklärt Stephan Thiel mit positiv ironischer Note und weist damit auf sämtliche Fachbereiche hin, die in der Uniklinik Münster (UKM) vereint sind. Er gehört zur Stabsstelle Pflegewissenschaft, Abteilung Pflegespezialisten, zu deren Aufgabe unter anderen das Stoma- und Wundmanagement gehört. Zusammen mit seiner Kollegin Antje Brosemann berät, begleitet und unterstützt er Patienten, die Hilfe in dieser besonderen Lebensphase benötigen.
Fachbereich als vielseitige Nische
Seit 40 Jahren existiert das Stoma- und Wundmanagement im UKM. In diesem Zusammenhang darf der Name Christel Ravenschlag nicht unerwähnt bleiben. Sie war in den 1980er Jahren die „erste Stoma-Therapeutin im Haus und auch eine der ersten Stomatherapeutinnen deutschlandweit, die sich später auch mit dem Wundmanagement vertraut machte“, erwähnt der Gesundheits- und Krankenpfleger mit Zusatzqualifikation lobend und ergänzt: „Dafür wird man nicht geboren. Da wächst man rein, und dann ist es super interessant.“ Gerne bringt er an dieser Stelle die Anekdote ein, die sich mal im Patientenkontakt entwickelte. „Ist es nicht unangenehm, so etwas den ganzen Tag zu machen?“, fragte ein Patient den Stomatherapeuten, der mit einer Gegenfrage darauf reagierte: „Was machen Sie denn so beruflich?“ Antwort des Patienten: „Ich bin Bestatter.“
Stephan Thiel
Stephan Thiel hat von 1992 bis 1996 schon im UKM gearbeitet, wechselte dann in den „Homecare-Außendienst“ und danach in den klinischen Bereich „Stoma, Wunde, Kontinenz“.
Dass die Stomaversorgung nach wie vor von einem gewissen Ekelfaktor überschattet wird, leugnet Antje Brosemann gar nicht: „Wir betrachten das auch nicht mit einer rosaroten Brille. Für uns stehen allerdings mehr die positiven Aspekte im Vordergrund. Wir geben Patienten Starthilfe in die Selbstständigkeit, damit sie gut mit ihrem Stoma umgehen können.“ Sie war zuvor deutschlandweit in vielen Bereichen der Pflege tätig, bevor sie vor 19 Jahren diesen Fachbereich für sich als vielseitige Nische entdeckte und sich dazu zwei Jahre berufsbegleitend weiterbildete.
Schwere, körperliche Anstrengungen vermeiden
Durchschnittlich sind es acht- bis zehn Stomapatienten, die das Experten-Duo täglich berät und versorgt. Hinzu kommen immer wieder Konsile, die patientenbezogene Beratungen von jetzt auf gleich einfordern. Wichtig dabei ist, dass die Stoma-Therapeuten und der Chirurg vor einer geplanten Operation die beste Stelle für ein Stoma ermitteln. Im Idealfall sollte es an einer möglichst ebenen und für die Patienten gut einsehbaren Stelle des Bauches platziert sein. Dann kann der Patient oder die Patientin das Stoma selbst gut im Blick haben und es gut versorgen. Heißt, dass er oder sie sich mit dem Wechsel und der Entleerung des Beutels und der Pflege des Stomas vertraut macht.
Die Formen der Stomata
Selbst bei der Betrachtung durch die professionelle Brille gibt es Patientenbegegnungen, die „nehmen einen schon mal sehr mit. Das lässt sich nicht verhindern. Vor allem, wenn sehr junge Patienten betroffen sind“, gesteht Stephan Thiel. Geschult werden häufig auch die Angehörigen, die bereit sind, diese Aufgaben der Pflege zu übernehmen. Zu den Patienten gehören eben auch Schwerstkranke oder auch frühgeborene Kinder oder Neugeborene mit Fehlbildungen.
Mit einem Stoma sollten schwere, körperliche Anstrengungen möglichst vermieden werden. Dies wirkt sich einschränkend auf einige berufliche Tätigkeiten aus. Hier muss möglichst frühzeitig der Sozialdienst einbezogen werden. Eventuell wird dann eine Umschulung oder Veränderung der Tätigkeit nötig.
Wundheilung bei Kindern schneller
Antje Brosemann und Stephan Thiel arbeiten auch im Bereich Wundversorgung. Hier finden zum Beispiel einmal wöchentlich pflegerische Visiten in besonderen Risikobereichen statt. Diese Visiten führen nachweislich zu einer Verminderung der Anzahl der Druck- und Wundliegegeschwüre (Dekubitus), die im UKM entstehen.
Dabei kümmern sie sich um alle Wunden, bei denen eine zusätzliche Expertise erforderlich scheint: Das können unter anderem
- eine komplizierte Versorgung,
- Komplikationen,
- verzögerte Wundheilung,
- schwierige Lokalisation und
- chronische Wunden wie ein Dekubitus, das Diabetisches Fußsyndrom oder durch Durchblutungsstörungen verursachte Wunden sein.
Eine Wundheilung verläuft bei Kindern meistens schneller als bei älteren Menschen. Verfügt das Immunsystem über genetische gute Grundlagen, ist im Volksmund von sogenanntem guten Heilfleisch die Rede. Durchblutungsstörungen, Diabetes, Hauterkrankungen oder eine hohe Medikation mit Cortison können eine Heilung jedoch sehr erschweren und eine professionelle Versorgung erfordern.
Antje Brosemann
„Bei der Versorgung von chronischen, also verzögert heilenden Wunden, müssen wir erkennen, was die Ursachen für die schlechte Heilung sind. Dann müssen wir den Körper bei der Heilung möglichst gut unterstützen“, erklärt Antje Brosemann. Wann, wo und wie vorgegangen wird, entwickelt sich in enger Abstimmung mit dem Pflegepersonal und den Ärzten. Zudem ist das Wund- und Stomatherapeuten-Team beteiligt an der Überleitung in den nachstationären Bereich, in dem Pflegedienste und -einrichtungen, Rehakliniken, andere Krankenhäuser und Nachsorger wie beispielsweise Homecare-Unternehmen, Sanitätshäuser sowie Apotheken die Patienten weiter begleiten. Wer eine Unterstützung durch eine Selbsthilfegruppe wünscht, kann hier auch auf die Vermittlung von Kontakten zählen.
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