Auf den Spuren eines Pioniers
In der Unibibliothek liegen Originaldrucke des Informatikers Alan Turing
Münster
Genial und spinnert zugleich? So muss man Alan Turing wohl beschreiben. Kettete der Brite, der als Vater des Computers bezeichnet wird und 1936 mit 23 Jahren dieInformatik schuf, doch schon mal seine Kaffeetasse an die Heizung – aus Angst vor Dieben.
Genial und spinnert zugleich? So muss man Alan Turing wohl beschreiben. Kettete der Brite, der als Vater des Computers bezeichnet wird und 1936 mit 23 Jahren die Grundlagen der theoretischen Informatik schuf, doch schon mal seine Kaffeetasse an die Heizung – aus Angst vor Dieben.
Turings wissenschaftliche Leistungen wurden erst nach seinem Tod gewürdigt. Er starb 1955 als weitgehend Vergessener. Gäbe es nicht Prof. Dr. Achim Clausing vom Institut für Informatik an der münsterischen Uni, so wüsste vermutlich niemand, dass die Hochschule einige der wenigen persönlichen Hinterlassenschaften des Ausnahme-Mathematikers besitzt.
Es ist sicherlich der Neugierde und am Ende auch dem Zufall geschuldet, dass der 64 Jahre alte Clausing Originaldrucke zweier der wichtigsten Veröffentlichungen Turings entdeckte. „Sie lagerten über Jahrzehnte vergessen in einem Keller unseres Institutes“, erzählt der Informatik-Professor.
„On Computable Numbers With an Application to the Entscheidungsproblem“ hatte das Genie seine Arbeit vor mehr als 70 Jahren überschrieben. In der Fachwelt fand sie damals so gut wie keinen Widerhall – außer beim Logiker Prof. Heinrich Scholz in Münster. „Der hatte vermutlich das Inhaltsverzeichnis der Zeitschrift eingesehen, in der Turing seinen Text veröffentlicht hatte“, vermutet Clausing. Also bat Scholz den Autor kurzerhand um ein Exemplar der Arbeit und hielt kurze Zeit später in Münster über deren Inhalte ein Seminar ab – „das war das weltweit erste Seminar über Informatik“.
Der Krieg, seine Wirren und die Zerstörungen – Turings Originaltext von 1936 war nach 1945 in Münster nicht auffindbar. Vermutlich hat zunächst auch niemand danach gesucht. „Es war purer Zufall, dass wir ihn im Nachlass Scholz’ gefunden haben“, sagt Clausing. Er war so wie eine zweite Arbeit des Genies eingebunden in einer Biografie, die Turings Mutter über ihren Sohn geschrieben hatte. Bei dem zweiten Text handelt es sich übrigens um eine ebenfalls bahnbrechende Arbeit Turings aus dem Jahr 1950 über die Entwicklung der künstlichen Intelligenz, versehen mit dem handschriftlichen Kommentar: „Dies ist wohl meine letzte Kopie.“ „Anders als vor dem Krieg gab es 1950 offenbar doch eine Nachfrage nach Turings Arbeiten“, sagt Clausing.
Nach ihrer Entdeckung bewahrte der Informatiker die Drucke mehrere Jahrein seinem Büroauf. Bis er eines Tages von einer Auktion bei Sotheby’s erfuhr. Dort war ein vergleichbarer Turing-Druck ohneWidmung für 180 000 Euro versteigert worden. Seither lagern die beiden Texte gesichert in der Universitätsbibliothek.
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