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Chronik

Ein Jahr nach Brand auf Mallorca: Ermittlungen gegen Kegelbrüder laufen weiter

Münster

Nach einem Brand in einer Bar wurden im Mai 2022 auf Mallorca 13 Kegelbrüder aus Münster und Umgebung festgenommen. Auch ein Jahr später laufen die Ermittlungen der spanischen Behörden gegen die Männer weiter. Eine Zusammenfassung der Ereignisse.

Von Ralf Repöhler, Anna Spliethoff, Thomas Schubert, Stefan Werding, Gunnar Pier, Jürgen Grimmelt, Jonas Wiening und dpa

Nach einem Brand wurden auf Mallorca Kegelbrüder aus Münster und Umgebung festgenommen. Die letzten von ihnen kamen nach acht Wochen in Untersuchungshaft zurück nach Münster. Foto: dpa/Helmut P. Etzkorn
  • Am 20. Mai 2022 sind 13 Männer eines Kegelclubs aus Münster auf Mallorca festgenommen worden.
  • Die Kegelbrüder werden von den spanischen Behörden beschuldigt, für einen Brand in einer Gaststätte im Vergnügungsviertel „El Arenal“ verantwortlich zu sein.
  • Einer der Männer konnte seine Unschuld beweisen, vier weitere konnten das spanische Gefängnis nach wenigen Wochen verlassen.
  • Nach acht Wochen Untersuchungshaft sind die übrigen acht Kegelbrüder am 16. Juli wieder nach Münster zurückgekehrt.

Es sollte ein launiger Ausflug nach Mallorca werden – doch dieser endete für die 13 Mitglieder eines Kegelclubs aus Münster und Umgebung im spanischen Gefängnis. Die Männer waren am 20. Mai 2022 zu einem Wochenendtrip in einem Hotel an der Playa de Palma angekommen. Doch statt im Hotel haben die Kegelbrüder die erste Nacht auf der Polizeiwache und die zweite Nacht in Untersuchungshaft verbracht.

Vorwürfe der spanischen Behörden gegen die Kegelbrüder

Die Kegelbrüder – zu dem Zeitpunkt im Alter von 24 bis 29 Jahren – werden seit ihrer Festnahme von den spanischen Behörden beschuldigt, bei einer privaten Party auf den Balkonen der Hotel-Zimmer brennende Zigarettenkippen und Alkohol auf das Terrassendach einer Gaststätte geworfen zu haben. Das Schilfdach der neben dem Hotel „Whala! Beach“ liegenden Bar „Why not Mallorca“ brannte und beschädigte zwei Lokale, eine Wohnung und das Hotel. Zwei Menschen wurden leicht verletzt.

Die Urlaubergruppe, die in einem Hotel im Vergnügungsviertel „El Arenal“ untergebracht war, war aufgrund von Zeugenaussagen nach dem Brand festgenommen worden. Die jungen Leute haben von Beginn an bestritten, das Feuer gelegt zu haben.

Zahlreiche Medien zeigten Ende Mai 2022 Bilder von der Festnahme der Männer in Palma. Es hieß, einige der Mitglieder des Kegelclubs aus Albachten und Roxel hätten zunächst gedacht, sie sollten als Zeugen vernommen werden, als die Polizei sie mitnahm. Die Touristen sollen nach Medienberichten zunächst ebenfalls als Opfer gegolten haben und seien auf Rauchvergiftung untersucht worden.

Zeugenaussagen und Hoffnungen durch Videomaterial

Eine Zeugin hat die Männer laut der „Mallorca Zeitung“ vor dem Untersuchungsrichter jedoch von Beginn an belastet. Hoffnungen hatte den Männern und den Angehörigen ein Anwalt bereits kurz nach der Festnahme mit angeblichem Videomaterial gemacht, das die Münsterländer entlasten soll.

Es soll nach Medienberichten zu sehen sein, wie zwei andere Männer, die nicht zur Gruppe gehören, direkt an der Bar kurz vor Ausbruch des Feuers stehen. Der Anwalt hat sich bei den Indizien, die die Unschuld beweisen sollen, zudem auf Whatsapp-Texte und -Sprachverläufe berufen. Demnach hätten die jungen Männer andere Gäste gewarnt, hieß es.

In Albachten machten die Vorgänge auf der Balearen-Insel natürlich schnell die Runde. „Alles ehrbare Burschen, nicht sozial auffällig“, beschrieb ein Albachtener die Männer.

Auch Feuerwehrleute unter Kegelclub-Mitgliedern

Kurz nach der Festnahme wurde bekannt, dass einige der Kegelbrüder Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr in Münster sind. „Nach unseren noch ungesicherten Erkenntnissen gehörten zu der Kegelclub-Reisegruppe auch fünf Mitglieder des Löschzuges Albachten sowie ein Mitglied des Löschzuges Roxel der Freiwilligen Feuerwehr“, sagte Martin Fallbrock aus der Leitung der Berufsfeuerwehr Münster wenige Tage nach der Festnahme in einer städtischen Pressemitteilung.

Der Vorsitzende des für die Feuerwehr zuständigen Ratsausschusses der Stadt Münster, Stefan Leschniok, warnte vor einer Vorverurteilung. Leschniok sagte, er habe volles Vertrauen in die Arbeit der spanischen Behörden. „Über mögliche Konsequenzen für die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr muss zum richtigen Zeitpunkt gesprochen werden, zunächst müssen wir die Ermittlungen der spanischen Behörden abwarten“, äußerte sich Wolfgang Heuer, Ordnungsdezernent der Stadt, kurz nach der Festnahme der Männer. Auch ein städtischer Verwaltungsmitarbeiter sollte unter den Kegelclub-Mitgliedern sein.

Die ersten Kegelbrüder kehren nach Münster zurück

Anfang Juni wurden die ersten fünf Mitglieder des Kegelclubs aus der Untersuchungshaft auf Mallorca entlassen. Sie sind knapp zwei Wochen nach der Festnahme wieder ins Münsterland zurückgekehrt. „Sie berichten, dass sie in der U-Haft gut behandelt wurden und einander unheimlich gestärkt haben“, hieß es aus ihrem Umfeld.

Die Männer durften das Gefängnis gegen eine Kautionszahlung von je 12.000 Euro verlassen. Einer von ihnen ist ohne Auflagen aus dem Gefängnis gekommen, weil er offenbar nachweisen konnte, dass er im Hotel unter der Dusche gestanden habe, als das Feuer ausgebrochen war.

Alle Kegelbrüder erhielten während ihrer Zeit in Untersuchungshaft Besuche von Angehörigen und ihren Freundinnen. Doch auch für die Angehörigen war die Situation schwierig. Deshalb bekamen sie in psychologische Hilfe vom Psychosozialen Unterstützungsteam (PSU) der münsterischen Feuerwehr. Das Team sollte die Angehörigen dabei unterstützen, mit der belastenden Situation umzugehen.

Polizei-Gutachten belastet Kegelbrüder

Wenig später hat die spanische Polizei „Guardia Civil“ ein Brandgutachten veröffentlicht, das die acht noch inhaftierten Kegelbrüder schwer belastet. Wie die „Bild“-Zeitung berichtete, soll der Brand „wahr­scheinlich durch den Wurf eines brennbaren, zuvor entzündeten Elements, wie es eine Zigarette oder Ähnliches sein kann“, ausgelöst worden sein.

Steckdosen schließt der Bericht als mögliche Brandursache aus. Die Krümmung und Oxidation der Dachkonstruktion weise vielmehr darauf hin, dass eine „externe Entzündungsquelle“ auf das Schilf-Dach im Außenbereich der Bar „Why not“ gefallen sei. An diesem Schilf-Dach soll sich das Feuer entzündet haben.

Der Vorwurf der Brandstiftung richte sich nicht gegen eine einzelne Person. „Die individuelle Verantwortung jedes einzelnen der Beschuldigten kann nicht bestimmt werden, da keine Indizien gefunden wurden, die einem von ihnen zuzurechnen wären“, heißt es in dem Gutachten laut „Bild“.

Kegelbrüder „beteuern ihre Unschuld“

Doch trotz des Gutachtens beteuerten die Kegelbrüder weiter ihre Unschuld, wie Pfarrer Holmfried Braun von der evangelischen Gemeinde auf Mallorca sagte. Zusammen mit seinem Team und dem Kollegen der katholischen Gemeinde besuchte er die jungen Männer aus Münster und Umgebung Mitte Juni.

Die Frage, die im Gespräch mit Pfarrer Holmfried Braun immer wieder auftauchte und doch nicht beantwortet werden kann: „Wie konnte uns das passieren? Wir ­wollten doch nur Urlaub machen.“

Erster Antrag auf Freilassung abgewiesen

Berichten zufolge haben die Angehörigen der inhaftierten Kegelbrüder Anfang Juli eine halbe Million Euro an die spanische Justiz gezahlt. Diese hatte die Summe nach Angaben verschiedener Medien als sogenannte Solidarhaftung für die entstandenen Schäden gefordert. Davon hatten sich Angehörige und Anwälte der Männer die Freilassung der acht Kegelbrüder erhofft.

Dass die Familien eine Solidarhaftung in Höhe von 500.000 Euro bar an die zuständige Gerichtskasse gezahlt haben, hatte jedoch zunächst nichts an der Meinung des Richters geändert, dass die Männer in Untersuchungshaft bleiben müssen. Er habe eine „maximale Fluchtgefahr“ gesehen, hieß es in übereinstimmenden Medienberichten.

Am 1. Juli haben die Anwälte der Inhaftierten ihre Strategie geändert. Nachdem der Ermittlungsrichter ihre ersten Anträge auf Freilassung der Männer abgewiesen hatte, haben die Anwälte Berufung beim Landgericht auf Palma de Mallorca eingelegt.

Kegelbrüder kommen gegen Auflagen frei

Beim Landgericht in Palma, der nächsthöheren Instanz, war ursprünglich für den 19. Juli 2022 ein Anhörungstermin angesetzt. Maria Barbancho Saborit, Anwältin der deutschen Kegelbrüder, hatte unter anderem aufgrund neuer Fotobeweise jedoch gegenüber unserer Redaktion die Hoffnung geäußert, dass die jungen Männer bereits vorher entlassen werden. Der zuständige Ermittlungsrichter war allerdings in Urlaub und wurde von einer Richterin vertreten. Deshalb war zunächst fraglich, ob sie vor dessen Rückkehr eine Entscheidung trifft und die Münsteraner unter Auflagen freikommen.

Doch dann ging alles doch ganz schnell: Nach der Kautionszahlung von je 12.000 Euro wurden die Kegelbrüder in der Nacht zum 16. Juli 2022 – zumindest vorerst und unter Auflagen – freigelassen. Die ersten konnten gegen 23 Uhr das Gefängnis von Palma de Mallorca verlassen, wie Anwältin Maria Barbancho Saborit bestätigte. Die Formalien zogen sich hin, sodass die letzten der acht Kegelbrüder erst um kurz vor Mitternacht wieder auf freiem Fuß waren.

Die Nacht verbrachten die Kegelbrüder laut Informationen unserer Redaktion im Gemeindehaus der „deutschsprachigen“ evangelischen Gemeinde von Palma de Mallorca. Von dort aus nahmen sie dann den ersten Flieger Richtung Münster.

Nach acht Wochen in U-Haft zurück in Münster

Nach knapp acht Wochen in Untersuchungshaft auf Mallorca sind die acht Kegelbrüder am 16. Juli 2022 wieder nach Münster zurückgekehrt. Sie sind morgens um 9 Uhr am Flughafen Münster-Osnabrück (FMO) gelandet. Die jungen Männer wurden dort von ihren Familien und Freunden begrüßt.

Doch obwohl die Kegelclub-Mitglieder das Gefängnis gegen die Zahlung einer Kaution verlassen durften, laufen die Ermittlungen gegen zwölf der 13 Männer weiter. Einer konnte bereits wenige Tage nach der seine Unschuld beweisen.

Foto macht Anwälten im weiteren Verfahren Hoffnung

Vor allem ein Foto macht den Mitgliedern des Kegelclubs sowie den Anwälten im weiteren Verfahren Hoffnung. Das Bild zeigt einen Mann, der sich über ein Geländer lehnt und eine Zigarette in seiner Hand halten könnte. Wie die Mallorca-Zeitung berichtete, haben die Anwälte der Verdächtigen das Handyfoto dem Amtsrichter vorgelegt. Sie wollten so zeigen, dass die der Brandstiftung an der Playa de Palma beschuldigten jungen Männer unschuldig sind.

Der Unbekannte im Hintergrund soll übereinstimmenden Medienberichten zufolge direkt über dem in Brand geratenen Schilfdach gelegenen Hotelbalkon stehen. Er gehört nicht zu der Reisegruppe aus dem Münsterland. Zwei Mitreisende sind im Vordergrund zu sehen.

War das benachbarte Zimmer leer?

Gemacht hatte das Foto laut Mallorca-Zeitung ein dritter Kegelbruder um 14.49 Uhr am 20. Mai 2022. Das war kurz vor dem Ausbruch des Brandes. Allerdings soll einem Polizisten zufolge das Hotelzimmer, auf dessen Balkon der Mann steht, zu diesem Zeitpunkt leer gestanden haben. Die beiden Männer, die dieses Zimmer belegt hatten, sollen demnach kurz zuvor ausgecheckt haben.

Dem widersprechen die Anwälte der Münsterländer. Ein Computer habe erfasst, dass jemand die Zimmerkarten des Hotels benutzt habe, meldet die Mallorca-Zeitung. Jemand habe das Zimmer um 14.47 geöffnet. Das war zunächst nicht klar, weil die Zeiterfassung der Zimmerkarten eine Stunde vorgestellt gewesen sei.

Ende Juli 2022 hatten die Verteidiger gegenüber der „Mallorca Zeitung“ geäußert, dass sie von einem Prozess gegen die deutschen Kegelclub-Mitglieder ausgehen. Bis zu dem Beginn eines Prozesses könnten allerdings Jahre vergehen. Das bestätigte Anwältin Maria Barbancho Saborit. Einer Hauptverhandlung sei eine einjährige Ermittlungsphase vorgeschaltet, die zudem noch zweimal um jeweils sechs Monate verlängert werden kann. In dieser Zeit können nach Angaben Barbanchos weitere Beweisanträge gestellt werden.

Ein Jahr nach der Festnahme auf Mallorca

Auch ein Jahr nach der Festnahme während des Mallorca-Ausflugs ermitteln die spanischen Behörden weiter gegen die Kegelbrüder aus Münster und Umgebung. Ein Prozesstermin ist bisher nicht absehbar, ist zu hören.

Über ihre Anwälte haben sich die Kegelbrüder am 17. Mai zum aktuellen Stand des Strafverfahrens geäußert. Laut der Erklärung bleiben die Männer optimistisch und wollen nach eigenen Angaben „aktiv zur Klärung des Vorfalls beitragen“. Hoffnungen der Männer aus Münster ruhen auf einem Beweisantrag auf Anhörung.

Seitens der „Administracion de Justicia“, der Justizverwaltung von Palma de Mallorca, gibt es bislang keine Stellungnahme. Sie ließ mehrere Anfragen unserer Redaktion zum Stand des Verfahrens unbeantwortet.

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