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"Münsteraner Klimagespräch"

Klimaziele und Wohlstandsniveau passen nicht zusammen

Münster

Was ist beim Klimaschutz geboten? Und was ist geboten, wenn es um Klimagerechtigkeit der Generationen geht? Ein Student und ein Philosophie-Professer diskutierten in der Reihe „Münsteraner Klimagespräche“.

Von Timo Gemmekeund

Auch in Münster wird regelmäßig für konsequentere Klimapolitik gestreikt. Foto: Oliver Werner (Symbolbild)

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im April vergangenen Jahres hat es deutlich gemacht: Klimaschutz ist nicht ein Anliegen, das auf Wohlwollen und Solidarität einiger weniger beruht, sondern grundlegende Aufgabe und Ziel des Staates. Im Mittelpunkt des Urteils steht die Generationengerechtigkeit. Aber was heißt das konkret?

Mit dieser Frage haben sich beim ersten „Münsteraner Klimagespräch“ des Jahres zwei Referenten beschäftigt – mit auf den ersten Blick unterschiedlichen Standpunkten. Auf der einen Seite Steffen Lambrecht, Masterstudent der Humangeografie und Aktivist bei Fridays for Future (FFF). Auf der anderen Prof. Dr. Michael Quante, Professor für praktische Philosophie an der WWU mit den Schwerpunkten Ethik und Sozialphilosophie. Auf der einen Seite die junge Generation, die sich mit massivem Handlungsdruck konfrontiert sieht, auf der anderen die Rationalität, das Abwägen der Interessen, das Warnschild vor Alarmismus.

Steffen Lambrecht Foto: Carola Dütz
Maxime zur erneuten Konkretisierung des Grundgesetzes

FFF-Aktivist Lambrecht machte seinen Standpunkt ungeschönt deutlich: „Wir haben seit etwa 50 Jahren gesichertes Wissen um das Problem, und seit fast 30 Jahren auch eine Rechtsgrundlage.“

Bereits 1994 sei Artikel 20 des Grundgesetzes um den Aspekt des Schutzes der Umwelt und der folgenden Generationen erweitert worden. Die erneute Konkretisierung des Gesetzes im vergangenen Jahr habe die Maxime deutlich gemacht: „Die Freiheit heute lebender Menschen darf nicht auf der Schädigung späteren Lebens basieren.“ Was im „Juristensprech“ undurchsichtig mit dem Begriff der „intertemporalen Freiheitssicherung“ bezeichnet werde, müsse die Grundlage aktuellen Handelns sein – vor allem für die neue Bundesregierung und die Umsetzung ihrer Klimaschutzziele.

Prof. Dr. Michael Quante Foto: Gunnar A. Pier

Enthaltsamkeit müsse im Hier und Jetzt das Dogma sein. „Selbst wenn wir die Klimaziele bis 2030 erreichen sollten, ist das aktuelle Wohlstandsniveau nicht aufrechtzuerhalten. Das Weiter-so zerstört bereits jetzt seine Grundlagen.“ Wichtig sei, alle Maßnahmen zum Klimaschutz auch sozialverträglich zu gestalten – daher auch der Begriff der Klimagerechtigkeit, der von den FFF-Aktivisten bevorzugt werde, so Lambrecht.

Was bedeutet Gerechtigkeit, was Verantwortung?

Für Prof. Dr. Michael Quante fängt die Debatte nicht erst beim Urteil des Bundesverfassungsgerichts oder der Club-of-Rome-Bewegung an – sondern viel früher. Wichtig für die Philosophie sei vor allem die genaue Definition bestimmter Begriffe: Was bedeutet Gerechtigkeit, was Verantwortung? Und wer sind überhaupt die folgenden Generationen? „Wer normative politische Forderungen stellt, diese aber nicht genau definiert, liefert dem Gegenüber Einfallstore, um Kritik bereits äußerlich zu delegitimieren, bevor es um den Inhalt geht.“

Trotz evidenter verschiedener Perspektiven auf das Thema Klima sei ein spalterisches Verhalten wenig zielführend. „Kriegsrhetorik verkleistert den Kopf“, so Quante. Wegen „Klimakennzahlen den demokratischen Diskurs und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit aufzugeben“, halte er für den falschen Weg. Gleichzeitig seien Zwang und Kontrolle als „Übergangsinstrumente“ aber nicht undenkbar. „Das ist der Realitätsrahmen, den man aushalten muss.“

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