Autorin Anja Röhl las im Pumpenhaus
Auf den Spuren der Stiefmutter
Münster
„Wenn Sie etwas über die RAF wissen wollen, sind Sie hier falsch“, sagt Anja Röhl gleich zu Beginn ihrer Lesung im Pumpenhaus. In ihrem 2013 erschienen Buch „Die Frau meines Vaters“ geht es um Ulrike Meinhof. Aber nicht um die Terroristin, sondern um die Journalistin, die sich in den 1960er Jahren mit politischen Artikeln und einer Kampagne gegen unhaltbare Zustände in deutschen Kinderheimen einen Namen gemacht hat.
Und es geht um Röhl selber. Um ihre Kindheit und ihre Beziehung zu der Frau, die 1961 ihren Vater, den „Konkret“-Herausgeber Klaus Rainer Röhl, geheiratet hat. Ihr Buch sei „rückhaltlos subjektiv“, sagt Röhl. Sie wolle deutlich machen, welche Bedeutung Ulrike Meinhof für sie hatte, und gleichzeitig das Bild einer Frau zeichnen, deren Leben oft auf die zwei Jahre reduziert werde, in denen sie im Untergrund war.
Röhl schreibt von sich in der dritten Person und aus der Sicht des Kindes, das sie in den 60er Jahren war, als die Meinhof nach der Scheidung der Eltern ihre Stiefmutter wurde. Schnell findet sie in der 20 Jahre älteren Frau eine Freundin, die verständnisvoller ist als die anderen Erwachsenen, mit denen sie bisher zu tun hatte: Eltern, Erzieherinnen, Lehrer. Ulrike habe ihr Selbstbewusstsein gegeben, sagt Röhl. Sie habe ihr gezeigt, dass Kind zu sein nicht unbedingt bedeute, allein zu sein, schuld zu sein und sich schämen zu müssen. Und sie habe ihr beigebracht, dass alles, was in der Welt geschieht, einen Grund hat, den man herausfinden müsse. Als sie älter ist, fängt sie an, Meinhofs Artikel zu lesen. Darin geht es um den Vietnamkrieg, Notstandsgesetze, atomare Aufrüstung und den Schah-Besuch, bei dem Benno Ohnesorg erschossen wird. Sie findet die Texte gut, „weil sie erklären, warum etwas so ist, wie es ist“. Nach dem Attentat auf Rudi Dutschke beginnt sie ihrerseits, sich politisch zu engagieren. Und damit handelt das Buch dann doch auch von der RAF – weil es Aufschluss gibt, wie es unter den gegebenen Umständen zur Radikalisierung kam.
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