Achim Reichel sagte in Münster „Jetzt oder nie“
Balladen, Rock und etwas Reeperbahn
Münster
Er prägte den deutschen Rock’n’Roll und holte alte Seemannslieder in die Gegenwart: Achim Reichel. In Münster ließ er seine Erfolge Revue passieren – und deutete vielleicht einen Abschied an.
Fast war es ihm ein wenig peinlich, als er eingestehen musste, in früheren Jahren ein Fan von Hans Albers gewesen zu sein. Weil ihm aber die Schunkelmusik nicht gefiel, schuf er etwas Flotteres und intonierte „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ auf seine Weise. Achim Reichel machte sich immer schon Gedanken um Dichter-Balladen und Volkslieder, die er dann speziell vertonte. Mit „Fliegende Pferde“ eröffnete der 78-Jährige sein Konzert am Montagabend in Münster und lieferte fortan ein Potpourri seiner zahlreichen Hits, die es inzwischen als „Das Beste“ zu kaufen gibt.
Mit drei Bläsern, Gitarrist und Bassist sowie einem Percussionisten wusste der Mann mit der markanten Stimme gute Musiker neben sich und lieferte. In seinen Liedern dreht es sich oft um Seefahrt („Trutz Blanke Hans“), aber auch Profanes („Kreuzworträtsel“) und Hintergründiges („Der Spieler“) befinden sich im Repertoire. Gelungen auch seine Vertonung von „Der Mond ist aufgegangen“, die er fast immer spielt („Das brauche ich einfach“). Sein absoluter Erfolgshit „Aloha Heja He“, so verriet er, wurde quasi nebenbei geschrieben. Ein musikalisches Relikt fand er in einem Umzugskarton, schrieb rasch einen Text dazu und „hatte einen Song mehr“. Dass dieser durch die Decke ging und im Jahre 2021 in China als erster deutschsprachiger Song zur Nr. 1 wurde, bekam er gar nicht mit. Erst als Medienvertreter ihn nach seinem Erfolgsrezept befragten, wie ein 30 Jahre alter Song in Asien so einschlagen kann, durfte er zuerst sprachlos und dann schon ziemlich stolz sein.
Achim Reichel steht seit 60 Jahren auf der Bühne und hat immer noch Spaß. „Ich bin für die Musik geboren worden, anders ist es nicht zu erklären, warum mir die Freude daran noch immer nicht vergangen ist.“ Als Sänger der Rattles ging er in den 60er Jahren mit den Rolling Stones (durch England) und Beatles (durch Deutschland) auf Tournee. Aus dieser Zeit lieferte er in Münster nichts; vielleicht auch deshalb, weil die Trennung 1966 nicht ganz schmerzlos verlief. Mit seiner Solokarriere avancierte er dann zum „Ur-Vater des deutschen Rock“ und später zum „Godfather des Shanty-Rocks“. Titulierungen aus der Presse, nach denen er nicht lechzte, die er aber auch nicht ablehnte.
60 Jahre erfolgreich im Showgeschäft, da möchte Achim Reichel auch mal „danke“ sagen. Aber bei wem? In „Leben, Leben“ bedankt er sich nicht bei Fans, Firmen oder Produzenten, sondern schlicht und ergreifend beim Leben, das ihm verstärkt die Sonnenseite präsentiert hat.
„Jetzt oder nie“ hat er seine 2023er Tournee getauft. Das klingt nach Abschied, mehr aber auch nicht.
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