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Mit „Mythobarbital“ eröffnete das Pumpenhaus seine Spielzeit

Bilder von albtraumhafter Schönheit

Münster

Die Bühne ist düster, die Stimmung verhalten. Eine Frau sitzt auf dem Sofa und blättert gelangweilt in einer Illustrierten, während ein Mann aus einem überladenen Einkaufswagen eine Kanne pechschwarzen Kaffees hervorkramt und sich eine Tasse eingießt. Geredet wird nicht in der Eingangsszene von „Mythobarbital – Fall of Titans“, mit dem die belgische Theatergruppe Abattoir Fermé am Freitag die Saison im Pumpenhaus eröffnete. Und auch später fällt in dem 75-minütigen Stück kein Wort. Dafür gibt es Bilder von albtraumhafter Schönheit.

Helmut Jasny

Zwischen Albtraum, Märchen und Mythos bewegen sich die Bilder in der Produktion „Mythobarbital“ im Pumpenhaus. Foto: Stef Lernous

Der Titel setzt sich aus „Mythos“ und „Barbiturat“ zusammen. Und ziemlich sediert wirken auch die Darsteller, wenn sie sich in quälender Langsamkeit durch die Szenerie bewegen und sinnlos Katzenfutter auf der Bühne verstreuen. Sinnlos, weil die Katze längst in den Tiefen des Sofas verendet ist, wie sich später herausstellt. In einem feierlichen Trauermarsch wird sie beerdigt – unter einem Haufen Katzenstreu, das sich ebenfalls im Einkaufswagen findet.

Ursprünglich sei „Mythobarbital“ von der Welt der Swingerclubs inspiriert gewesen, heißt es im Programm. Als Kirsten Pieters Rock und Bluse auszieht und sich unter einen Glastisch legt, kommen noch Märchen ins Spiel. Jetzt ist sie Fleisch gewordene Männerfantasie und gleichzeitig Schneewittchen in ihrem gläsernen Sarg. Chiel van Berkel wäre jetzt als Prinz gefragt, um sie wachzuküssen. Doch dem ist die Situation entweder zu unheimlich oder zu erotisch aufgeladen, weshalb er erst mal eine Zigarette raucht. Dafür wird Tine Van den Wyngaert umso aktiver. Zu einem lang anhaltenden Crescendo beginnt sie mit einer Axt den Bühnenboden zu bearbeiten, dass die Fetzen fliegen. Ein Bild, das jedem Horrorfilm Ehre machen würde.

Abattoir Fermé sind Meister der anspielungsreichen Bilder. Märchen, Mythen, geheime Wünsche und verborgene Ängste werden hier beschworen. Gepaart mit skurrilem, manchmal ans Makabre grenzendem Humor, schaffen sie eine fantastische Parallelwelt, der man sich als Zuschauer nicht entziehen kann. Dazu muss die belgische Truppe gar keine zusammenhängende Geschichte erzählen.

Das Verbindende entsteht hier aus der ebenso unwirklichen wie unheimlichen Stimmung, die jeder einzelnen Szene anhaftet und mit der das Abseitige zum ästhetischen Prinzip erhoben wird.

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