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Jakobuskirche: Uli Martini zeigt „Sinnliches und Besinnliches“

Bilder zur ahnungslosen Menschheit

Münster

Gevatter Tod, biblische Geschichten, Surrealitäten des Alltags – Prof. Dr. Uli Martini zeigt in der Jakobusgemeinde seine Kunst.

„Sinnliches und Besinnliches“ heißt die Ausstellung von Prof. Dr. Uli Martini mit Gemälden, Zeichnungen und Collagen, Spielgeräten und Musikobjekten in der Jakobuskirche – mit dabei: seine Altarwand für das Evangelische Gemeindezentrum in Solingen. Foto: Günter Moseler

„Jeder nimmt jetzt einen Stab und schlägt einen Rhythmus, wie er will“, ermunterte Pfarrer Martin Mustroph seine Gemeinde in der Jakobuskirche – und sofort hob ein Klappern an, als tippten hundert Sekretärinnen auf ihrer Schreibmaschine um die Wette. Fertig war die Musik zwischen Urwald und Uranfang.

Zur Ausstellung „Sinnliches und Besinnliches“ mit Gemälden, Zeichnungen und Collagen, Spielgeräten und Musik-Objekten hatte Prof. Dr. Uli Martini in der Jakobuskirche seine Altarwand für das Evangelische Gemeindezentrum in Solingen vorgestellt. Dort rückten die 40 alttestamentarische Geschichten in kleinformatigen sowie Jesu Geburt und Kreuztragung in zwei großformatigen Bildern nebeneinander. Im Verhältnis zu den neutestamentarischen Eckdaten der Zentralfigur des Jesus wirkten die Bildminiaturen wie episodische Schlaglichter.

Deren Gegenständlichkeit, teils surrealistisch verfremdet, zu Neuer Sachlichkeit tendierend wie an brueghelsche Motive erinnernd, greift exemplarische Geschichten auf: Im „Paradies“ kuscheln Elefant, Nilpferd, Löwe und Affe friedlich mit dem Ur-Paar der Menschheit, während Eva nach dem verhängnisvollen Apfel im Maul der Schlange greift und im „Turmbau zu Babel“ ein professoraler Typ im Lehnsessel unterm Sonnenschirm einem Vermessungstechniker Statik-Daten diktiert: „Mich interessiert die Vermischung von alter und neuer Zeit“, erklärte Martini die Parallelisierung der Zeitalter in seinen Bildern, „diese Geschichten können jederzeit und überall passieren“. So sind Geburt und Kreuzigung Jesu je in eine moderne Stadtszene platziert. Details wie die gaffende Menge, Totengesichter, feiste Priester, behelmte Polizisten und ein offener Laster mit Delinquenten deuten undemokratische Verhältnisse inmitten demokratischer Staaten an.

Im Jakobuszentrum weitere Arbeiten: Fabelhaft die Schwarz-Weiß-Karikaturen über Gevatter Tod, der Menschen als Marionette führt, sie zwischen seinen Beinen schaukeln lässt, für den Rentner die Parkbank mimt und Rücken an Rücken mit dem Selbstmörder in die Tiefe blickt: Die ahnungslose Menschheit – mitten im Leben vom Tod umgeben. Collagen, in denen ein muskulöser Albrecht Dürer ein Rendezvous an der Nordsee genießt, oder der geflügelte (= verstorbene?) Ehegatte seine Frau vor imaginären Krokodilen beschützt. Dann Objekte, wo ein Zigarren-Kasten Knochen beherbergt und ein plattgefahrener Frosch mit einer posthumen Krönung geehrt wird, während in Schaukästen surreale Interieurs Alltag, Geschichte, Sein und Schein ironisch verfremden: „Die Geschichte der Wissenschaft“ jedenfalls ähnelte einem Chaos-Laboratorium. Sehenswert!

Die Ausstellung ist im Jakobuszentrum bis zum 4. September dienstags bis samstags von 14 bis 18 Uhr sowie sonntags von 11 bis 17 Uhr zu sehen.

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