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Theater Charakterfarben stellt sich im TPZ mit „Hysterikon“ vor

Das Leben ist ein Supermarkt

Münster

Konsum ist das Gesetz. Und dazwischen bewegen sich Menschen. Der Supermarkt als Mikro-Kosmos unserer Gesellschaft. "Charakterfarben" stellte einige Typen daraus vor.

Von Wolfgang A. Müller

Das neue Theater „Charakterfarben“ stellte sich im TPZ mit dem Stück „Hysterikon“ vor. Foto: Kathrin Marhofen/Theater Charakterfarben

„Ich fänd‘s schön, wenn die Dinge das wären, was sie sind“, sinniert eine Kundin (Bettina Lanwehr) im Supermarkt. Vom Kassierer (Henning Heek) erntet sie dafür nur ein spöttisches Lächeln. Wer hier Authentizität sucht, dem ist nicht zu helfen. Für ihn und seine Kollegin zählen allein die ehernen Gesetze des Konsumismus: „Kaufen und gekauft werden. Verkaufen und verkauft werden.“

In Ingrid Lausunds Stück „Hysterikon“, mit dem das Theater Charakterfarben im Theaterpädagogischen Zentrum (TPZ) begeisterte, ist das ganze Leben diesen Regeln unterworfen. Hier wird, während einlullender „Muzak“dudelt, nicht nur der Preis für den Tiefkühlspinat abkassiert, sondern auch, auf separater „Life-Card“, der einer verpatzten romantischen Anbahnung in der Frische-Abteilung. Denn dieser Supermarkt ist kein begrenzter, hermetischer Raum. Eher ein ominöses Zwischenreich, das ganz unterschiedliche Menschen in einem Reigen oft grimmig witziger, aber auch anrührender Episoden aufsuchen.

Da hadert eine junge Frau (Anja Niehaus) mit ihren „Impulsen“ angesichts eines allumfassenden Überangebots. Sie quält und verzettelt sich gleichermaßen bei der Entscheidung, welche Joghurtsorte sie wählen soll, wie bei der Auswahl eines Lebensentwurfs, der sie beglücken könnte. Was mit Religion? Oder Politik? Etwas Besonderes soll es sein, nur kein Klischee. Letzteres, nämlich bloße Abziehbilder, seien die auftretenden Charaktere allesamt, hat zu Beginn das Ladenpersonal dem Publikum erläutert. Die mürrische alte Frau, die niemanden an der Kasse vorlässt; der überdrehte Mann (Frank Bitzer) in der „lauten Jacke“, der Angst vor Tomatenkonserven hat. Tatsächlich wirken die überspitzten Figuren oftmals wie durch unsichtbare Kräfte gelenkt, in einer Matrix vorgefertigter Bilder gefangen, wie die blonde Femme fatale (Edina Hojas) in der Kühltruhe. Alles und jeder ist Ware.

In den geschliffenen Dialogen und Monologen blitzen derweil nachvollziehbare Sehnsüchte auf, die das exzellent aufspielende Ensemble um Regisseurin Kathrin Marhofen treffsicher ans Publikum sendet. Manche Szene kennt man ähnlich aus dem „wahren“ Leben. Hysterie ist eben auch nur allzu menschlich.

Weitere Aufführungen am 24. Juni um 20 Uhr und am 25. Juni um 19 Uhr in der Studiobühne am Domplatz

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