„Feuerland“ im Pumpenhaus
Das Vergessen ist voller Erinnerung
Münster
Das Leben im Einklang mit der Natur braucht keine Scheinwerfer. Im Halbdunkel sitzen die Schauspielerinnen auf der Bühne des Pumpenhauses und beschwören eine Zeit, als die Küste Patagoniens noch den Ureinwohnern gehörte.
Das Leben im Einklang mit der Natur braucht keine Scheinwerfer. Im Halbdunkel sitzen die Schauspielerinnen auf der Bühne des Pumpenhauses und beschwören eine Zeit, als die Küste Patagoniens noch den Ureinwohnern gehörte. Kurz aufflammende Zündhölzer akzentuieren die Erzählung von den „Söhnen und Töchtern der Erde, des Feuers, des Wassers und des Lichts“. Von Fischern in ihren Booten ist die Rede und vom Funkeln der Sterne, die ihnen den Weg weisen. Doch dann kommt die Kolonialisierung und mit ihr kommen Sklaverei und Unterdrückung.
In „Feuerland“ setzt sich das Tat Sachen Theater mit der Geschichte Chiles auseinander. Es ist ein poetischer Ansatz, den Claudio Ayala (Text und Regie) hier verfolgt. Nicht historische Daten stehen im Mittelpunkt, sondern der Mensch als Spielball politischer Mächte. Erzählerin ist eine alte Frau, eine der letzten Überlebenden eines patagonisches Stammes. Sie wird von den Schauspielerinnen als Puppe geführt.
Ebenfalls als Puppe tritt ein junger Fischer auf, den englische Missionare nach London verschleppen, um ihn auf den rechten Glauben einzuschwören. Mit ihren furchterregenden Masken wirken die Missionare alles anderes als vertrauenerweckend. In dieselbe Richtung geht die Musik von Jens Brülls, der das Geschehen auf einer ganzen Armada von Perkussionsinstrumenten begleitet.
Die Kolonialisierung ist ein finsteres Kapitel in der Geschichte Chiles. Ein anderes ist der Militärputsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Allende und die darauf folgende, von Folter und Mord geprägte Diktatur Pinochets. Menschen verschwinden spurlos, andere kehren gebrochen zurück. Die Rolle der CIA wird in der Aufführung ebenso thematisiert wie das Verhältnis westdeutscher Politiker zu Pinochet. „Das Vergessen ist voller Erinnerung“, sagt die alte Frau und bringt damit die Botschaft des Stücks auf den Punkt.
Es schadet nichts, wenn man sich ein wenig in der Geschichte Chiles auskennt. Denn das Tat Sachen Theater beleuchtet die Ereignisse eher spotlichtartig und in Schlüsselszenen. Andererseits wirkt die Aufführung dadurch nicht unangenehm belehrend. Hinzu kommt eine höchst eigene Ästhetik, die modernes politisches Theater mit traditionellen Formen wie Puppen- und Maskenspiel verbindet.
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