Junges Theater Cactus zeigt „angerichtet“
Die schreckliche Nutella-Frage
Münster
Das Junge Theater Cactus thematisiert in „angerichtet“ Klimawandel., Ausbeutung, Verschwendung – und sogar sich selbst.
Das Spiel beginnt als Verlautbarung, die dann doch keine wird. Keiner der acht Protagonisten, die sich demonstrativ an der Rampe aufgestellt haben, will das Wort ergreifen. Bis sich schließlich einer erbarmt. „Erwarten Sie nichts Neues“, erklärt er. Es sei alles schon gesagt, und eine Lösung hätten sie auch nicht. Das stimmt. „angerichtet“, die neue Cactus-Produktion, die am Freitag im Pumpenhaus Premiere hatte, will nicht mahnen und dem Publikum auch nicht ins Gewissen reden. Vielmehr handelt es sich um eine Art Bestandsaufnahme, dargeboten mit den Mittel des Theaters.
Es geht um einiges in der Inszenierung von Judith Suermann und Angelika Schlaghecken. Eigentlich sogar um alles. Um unsere Welt nämlich, und wie sie zu retten sei. Klimawandel ist ein Thema, Ausbeutung der Dritten Welt ein anderes. Müll, Verschwendung von Lebensmitteln, Wachstumspolitik und Machtmissbrauch stehen auf dem Programm. Denn das haben die jungen Cactus-Darsteller erkannt: Will man etwas ändern, reicht es nicht, an Symptomen herumzudoktern. Man muss das ganze System in Frage stellen.
Und das machen sie auf spielerische Weise, indem sie nicht nur das vorführen, was falsch ist, sondern auch die Schwierigkeiten, es richtig zu machen. An einem großen Tisch mit Kaffeekannen und Suppentöpfen aus Verpackungsmüll sitzen sie beim friedlichen Mahl, bis einer nach Nutella verlangt – worauf alle aufschreien und heulend über die Bühne rennen. Er liebe sein Auto, sagt ein anderer. Ein Remix aus Greta Thunbergs New Yorker Rede soll ihn in die Schranken weisen. Dasselbe gilt für Pete Seegers Friedenshymne „Where Have All the Flowers Gone“, die sie in mehreren Sprachen, einschließlich Gebärdensprache, vortragen.
Stark ist die Vorstellung in den von Sebastian Knipp und Pia Selders gestalteten choreografischen Passagen. Eine Konferenz uneiniger Staatschefs geht als zupackender Tanz über die Bühne, ebenso das Auftürmen riesiger Berge von Plastikmüll vor den Zuschauern, die dann zum Trost ein Stück Schokolade bekommen, deren Verzehr wie ein Erweckungserlebnis kommentiert wird. Auch Selbstkritik fehlt nicht, wenn die Darsteller erklären, dass die Aufführung den Strom eines vierköpfigen Haushalts verbrauche, und anschließend eine Minute in völliger Dunkelheit spielen. Mit dem berechtigten Hinweis, dass es nicht die Erde sei, die in Gefahr ist, sondern der Mensch, der auf ihr lebe, endet die Vorstellung.
Startseite