Uraufführung von „Sara Maria Herts“ im Kleinen Bühnenboden
Ein Frauenleben mit dem Konjunktiv
Münster
Eine Frau denkt über ihren Lebensweg nach: Was hätte alles sein können, welche Rollen hat sie gespielt? Stefan Nászay hat ein bewegendes Stück geschrieben.
Das muss eine erstaunliche Person sein, die als Kind die Zweige im Wald durchbiss, wenn sie den Weg versperrten. Welche Qualitäten diese geheimnisvolle Sara Maria Herts noch hat, erfuhr das Publikum im Kleinen Bühnenboden bei ihrer fesselnden Suche nach der eigenen Identität.
Die Atmosphäre wirkt gespenstisch, als die von Johanna Kollet verkörperte Protagonistin auftritt und im dunklen Raum, angeleuchtet nur von einer Kerze, um einen gedeckten Tisch in der Mitte des von den Zuschauerrängen gesäumten Spielfeldes schreitet. Dort, wo offenbar eine Feier stattgefunden hat, entspinnt sich aus der Begegnung mit der Unbekannten, die sich selbst innerlich sortiert, schnell ein surrealer Psycho-Thriller. Auch wenn die Bühnenbeleuchtung einsetzt, bleibt vieles zwielichtig. „Das war so schön“, hört man Sara Maria sich erinnernd einem unsichtbaren Gegenüber zuhauchen. Die Party ist vorbei, alles Weitere bleibt zunächst eine Ahnung. Ein Silberteller auf dem Tisch mutiert zum Handspiegel, der skizzenhafte Monologe einfängt. An der Wand knüpft Kollet einen roten Faden, der sinnbildlich das folgende Puzzle szenischer Miniaturen ordnet.
Regisseur und Autor Stefan Nászay hat die Geschichte der Sara Maria Herts nicht als lineare Erzählung entworfen, sondern als behutsam konstruierte Bilderfolge, die zwischen Rückblenden und Gegenwart pendelt und dabei auf mythische Stoffe (die Bibel bei der Namensgebung; die Sage vom „Riesenspielzeug“) wie auf aktuelle Diskussionen zurückgreift. „Sara Maria Herts“ beschreibt Stationen eines weiblichen Lebensweges im Spannungsfeld tradierter Rollen als Tochter, Schwester, Geliebter, Mutter. Kollets Spiel illustriert euphorische Berichte einer Kindheit als „Riesin“, den Überschwang einer gigantisch romantischen Liebe und kontrastiert sie mit einem durch Alltag und Zeitläufte verhärmten Mantra nackter Selbstvergewisserung: Weinen, Warten, Essen, Schlafen. Nicht zuletzt: Wünschen. Ein Leben mit dem Konjunktiv.
So schlafwandlerisch und (alp)traumhaft bildmächtig manche Szenen anmuten, so aufwühlend ist der Erzählrhythmus dieser abstrakten und doch so greifbaren Frauenfigur, bei der Kollet, choreografisch unterstützt von Melanie López López, blitzschnell zwischen unheilsschwangerer Dramatik und Funken sprühender Komik oszilliert. Als Bilder und Geräusche, wie von der Protagonistin ersehnt, verstummen, sprengt überbordender Applaus die Stille.
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