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Keren Levi zeigt „Departing Landscapes“

Ein Tanz mit dem eigenen Schatten

Münster

n dunkler Rüschenbluse und mit weißen Plateauschuhen steht Keren Levi am hinteren Rand der Pumpenhausbühne. Dann bewegt sie sich in einem schmalen Lichtstreifen, der wie eine Straße durch eine unbestimmte Landschaft führt, langsam nach vorne an die Rampe.

Helmut Jasny

Versunken: Keren Levi bei ihrer Darbietung im Theater im Pumpenhaus. Foto: Ralf Emmerich

In dunkler Rüschenbluse und mit weißen Plateauschuhen steht Keren Levi am hinteren Rand der Pumpenhausbühne. Dann bewegt sie sich in einem schmalen Lichtstreifen, der wie eine Straße durch eine unbestimmte Landschaft führt, langsam nach vorne an die Rampe.

Sie ist unterwegs zu einer Beerdigung. Das erzählt sie mit leisen Worten und gerät dabei immer tiefer in eine Vergangenheit hinein, in der sie selbst noch Kind war und die Tote noch am Leben. In den Händen hält sie einen Schuhkarton voller Bilder – dass was von einem Menschen bleibt, wenn er selbst nicht mehr ist.

Mit „Departing Landscapes“ hat die israelische Choreografin Keren Levi ein ebenso sensibles wie minimalistisches Solo geschaffen, das sich musikalisch auf das nicht weniger minimalistische Klavierwerk „Triadic Memories“ des amerikanischen Komponisten Morton Feldman bezieht.

Flirrende, unmerklich an- und abschwellende Töne bestimmen den Klangraum und lassen eine sphärische Landschaft entstehen, in die sich wie aus weiter Ferne kurze Melodiebögen mischen. Nach „Footnotes“, das letztes Jahr im Pumpenhaus zu sehen war, ist „Departing Landscapes“ bereits Levis zweite Beschäftigung mit Feldmans Musik.

Die Wanderung der Tänzerin durch das Erinnern ist ein Ankommen und Verschwinden. Im ersten Teil der knapp einstündigen Aufführung nähert sie sich der Vergangenheit durch Worte. Im zweiten Teil tanzt sie gewissermaßen wieder aus ihr heraus. Der Übergang von Sprache in Bewegung erfolgt dabei fließend, indem sie das Erzählen zunächst mit kleinen Bewegungen der Hand illustriert. Später, wenn es nichts mehr zu sagen gibt, verlagert sich der Ausdruck zunehmend auf den Körper, der sich jetzt windet und dreht, in den Knien einknickt und die Arme weit ausschwingen lässt.

Es ist ein Tanz mit dem eigenen Schatten, der hier stattfindet. Wobei sich der Schatten bei aufmerksamer Betrachtung aber als leicht versetzte Videoprojektion erweist.

Diese Unschärfe fand ihre Entsprechung schon vorher im Text, der vom live gesprochenen Wort unmerklich für die Zuschauer in ein Playback übergegangen war. Damit kann „Departing Landscapes“ auch als ein Stück über die Illusion gesehen werden, die sich in jeder Art von Erinnerung findet, wenn man nur genau genug hinschaut.

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