Flurstücke 019: „Zungenbrecher – Die Geste des Sprechens“
Fischers Fritze verbindet die Völker
Münster
Das Gehirn von Thorsten Schmid-Kapfenburg hat seine Zunge im Griff. Virtuos meistert der zweite Kapellmeister die Laute der Ursonate von Kurt Schwitters in verblüffendem Tempo. Ein Kunststück! Dann bittet Friederike Koch den Münsteraner, die zwei Schwalben zwischen den Zwetschgen-Zweigen zwitschern zu lassen.
Das Gehirn von Thorsten Schmid-Kapfenburg hat seine Zunge im Griff. Virtuos meistert der zweite Kapellmeister die Laute der Ursonate von Kurt Schwitters in verblüffendem Tempo. Ein Kunststück! (Zweifel? Bitte schnell nachsprechen! „Rinnzekete bee bee nnz krr müü? / ziiuu ennze, ziiuu rinnzkrrmüü, / rakete bee bee“.)
Dann bittet Friederike Koch den Münsteraner, die zwei Schwalben zwischen den Zwetschgen-Zweigen zwitschern zu lassen. Die grauen Zellen haben keine Chance. Die Zunge geht ihren Weg und scheitert an dieser Vorgabe. Wie schön. Wie menschlich. Wie sympathisch. Und alle im improvisierten Aufnahmestudio im Haus der Niederlande lachen miteinander. Und darum geht es in „Zungenbrecher – Die Geste des Sprechens“.
Friederike Koch und Christof Debler haben für ihr Projekt zum Straßenfestival „Flurstücke“ 50 Menschen unterschiedlicher Nationalität und Hintergründe vor die Kamera gebeten. Ihre Aufgabe: Zungenbrecher in ihrer Muttersprache aufsagen, so schnell es geht. Und alle scheitern mit dem wohl mächtigsten Instrument ihrer Welt-Beherrschung: ihrer Sprache. Es ist eine wunderbare Grenze, die Koch und Debler gefunden haben, um das Menschliche in jedem Menschen spürbar zu machen: bei Sprechern wie bei Zuhörern.
Zungenbrecher als globales Erlebnis sind gleichsam die Umkehrung der Folgen des biblischen „Babel“: dem Sprachgewirr. Ähnlich wie die ängstlich versammelten Apostel, durch himmlischen Geist beseelt, plötzlich von allen verstanden wurden, können die Zungenbrecher-Sprecher durch humorvollen Geist sich und anderen einen unmittelbar universellen Gemeinsinn vermitteln. Ob hell oder dunkel, ob alt oder jung, ob männlich, weiblich oder wie auch immer – Körper und Geist, Zunge und Hirn geraten bei jedem in die lustigste Stolperei, wenn sie vor sprachliche Herausforderungen gestellt werden. Spaß am gemeinsamen Scheitern verbindet. Eine schönes Mittel gegen Ressentiments, Rassismus und Ausgrenzung.
Zum Thema
Die jeweils 30-minütigen „Zungenbrecher“ sind im Loop an den Aaseekugeln am 21. und 22. Juni (Freitag und Samstag) von 15 bis 22 Uhr sowie am Sonntag (23. Juni) von 12 bis 16 Uhr zu sehen. | www.flurstuecke.com
Aus den Aufnahmen schneiden Koch und Debler derzeit ein Sprach-Konzert zusammen, das während der „Flurstücke“ unter einem Zeltdach an den Aasee-Kugeln auf drei Bildschirmen (wie einem aufgeklappten Altar) vom Zuschauer auf Sitzsäcken zu sehen sein wird.
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