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Lesung „Literatur aus NRW“ in der Studiobühne

Heimat und ihre Sprachen

Münster

Dass Heimat kein einfacher Begriff ist, stellt Lyriker Christoph Wenzel am Beginn des Abends fest. Zusammen mit der Romanautorin Karosh Taha nimmt er an einer Lesung in der Studiobühne teil. Ein spannender Literaturabend, der mit einem Wunsch endet.

Von Corinna Wolters

Christoph Wenzel (l.) und Karosh Taha haben in der Studiobühne unter dem Motto "Damit man glaubt, wir sind zuhause" aus ihren Werken vorgelesen. Foto: Carsten Vogel

„Damit man glaubt, wir sind zuhause“, lautete das Motto der Lesung, die am vergangenen Freitagabend mit dem preisgekrönten Dichter Christoph Wenzel und der ebenso mehrfach ausgezeichneten Autorin Karosh Taha in der Studiobühne stattgefunden hat. Dabei gab es zum einen Einblicke in den Schreibprozess an sich, zum anderen wurde der Begriff Heimat diskutiert und sein Verhältnis zur Sprache thematisiert.

„Heimat, das ist schon ein schwieriger Begriff, ein Begriff, der zusammenzucken lässt“, stellt der Dichter Christoph Wenzel noch vor Beginn der eigentlichen Lesung fest. Dann liest er „einmal quer durch die Bücher“, die er vor sich auf dem Tisch gestapelt hat.

Poetische Recherche zu den Großvätern

Vier Einzeltitel sind bereits von dem in Aachen lebenden Dichter erschienen, daneben gibt es zahlreiche weitere Publikationen in Zeitschriften und Anthologien. An diesem Abend kommen die Zuschauer außerdem zusätzlich in den Genuss von bis dato unveröffentlichten Texte Wenzels. Von seiner Geburtsstadt Hamm und den westfälischen Grenzgebieten, über den Bergbau und das rheinische Braunkohlegebiet bis zu Annette von Droste-Hülshoff ist alles dabei. Schließlich könne man als Lyriker nicht in Münster sein, ohne „etwas mit der Droste zu machen“, scherzt Wenzel und lobt im gleichen Atemzug das „Center for Literature“ der Annette von Droste zu Hülshoff-Stiftung und dessen kulturelle Arbeit im Münsterland.

Er nimmt das Publikum mit auf eine poetische Recherche zu seinen beiden Großvätern, seziert Redensarten, übersetzt ganz nebenbei seinen Heimatdialekt in den Gedichten. Bei einem Gedicht stutzt Wenzel, schaut fragend ins Publikum: „Ist der Lorenz hier ein Begriff?“ will er wissen. Ein Zuhörer weiß, dass er im Ruhrgebietsplatt für Vollmond steht.

Fremdwahrnehmung und Selbstwahrnehmung

Karosh Taha liest im Anschluss aus ihrem zweiten Buch „Im Bauch der Königin“. Das Werk ist 2020 erschienen und handelt von Shahira, die in einer deutsch-kurdischen Gemeinschaft im Ruhrgebiet für Aufregung sorgt. Sie selbst kommt allerdings kaum zu Wort. Stattdessen finden sich in dem Buch die Perspektiven zweier Jugendlicher, Amal und Raffiq, die von Shahira und ihrer Existenz außerhalb der Norm ebenso fasziniert wie schockiert sind.

Normalerweise würde sie beide Perspektiven vorstellen, meint die in Essen lebende Autorin zu Beginn. „Nur heute habe ich Lust, Amals Geschichte zu lesen“.

Über Gesellschaftsstrukturen und Machtverhältnisse wolle sie schreiben, sagt Taha im anschließenden Gespräch mit dem Publikum. Diese zu dokumentieren und zu analysieren, über Fremdwahrnehmung und Selbstwahrnehmung zu reflektieren, sei ihr Anliegen. Der Sprache selbst traut sie allerdings nicht über den Weg: „Sie reicht nicht aus, führt immer zu Missverständnissen.“ Wichtig sei ihr, „die Sprache herauszufordern, zu drehen und zu wenden, sie zu verbiegen und brechen, zu verlernen und dann eine neue Sprache zu finden.“

Sprache sei ein wesentlicher Bestandteil von Gesellschaftsstrukturen, ergänzt Christoph Wenzel. Darüber zu diskutieren, sei auch sein Anliegen, mit dieser „gegen den Strich gebürsteten Semantik“. Und zum Abschluss der Lesung wünscht sich der Lyriker von der Romanautorin: „Du solltest mal Gedichte schreiben, Karosh, das würde ich mir bei deinen Worten wirklich wünschen.“

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