Künstlergemeinschaft „P´Art 96“ stellt in der Musikhochschule am Ludgeriplatz aus
Kein Sturmschaden
Münster
Beethoven hat sich aus „Wut über den verlorenen Groschen“ in einem Rondo ausgetobt. Welche Wut wohl Studierende an der Musikhochschule haben müssen, dass sie ein Klavier auf die Straße werfen? Oder liegt hier doch ein Sturmschaden vor? Das Instrument im Vorgarten jedenfalls sorgt für Gesprächsstoff an Bushaltestellen des Ludgeriplatzes. Und das ist Absicht: Denn die Künstlergemeinschaft „P’Art 96“ hat sich in und an der ehemaligen Bank ausgetobt. 43 Werke von zwölf Künstlern sind über die Sommermonate dort zu sehen.
Neben dem Klavier von Sascha Unger ist eine Arbeit von Sabine Klupsch augenfällig. Denn nun hat der Eingangsbereich der Musikhochschule, der in seiner Form an ein Metronom erinnert, auch noch Ohren. Wer das Gebäude betritt, bekommt gleich einen Sound auf seine Lauscher. „Psst!“, heißt es dann energisch. Und die Musik verstummt. Der Stille heischende Befehl ist Teil einer Arbeit von Mikel Telletexea. Die verstummende Musik stammt von Komponisten, die von den Nazis verfemt wurden. Eine zweite Arbeit von Telletexea zeigt diese Komponisten im Bild, aber nur, wenn man still ist. Sobald gesprochen wird, verblassen die Schwarz-Weiß-Porträts.
Geschichte ist auch das Thema von Wolfgang Brecklinghaus. Aus seiner Reihe „Apokalyptische Arbeiten aus Militärschrott mit Utensilien aus der Zeit der beiden Weltkriege“ hängt eine Geige im ersten Treppenaufgang – halb Pendel, halb Fallbeil. Wandfüllend ist seine „Lyra“ in einem anderen Treppenhaus. Wo bei einem Spielmannszug die Rossschweife hängen (Erinnerung an den Einfluss der Janitscharen auf Militärmusik), hat Brecklinghaus MG-Rohre gehängt und Granatwerfer gehängt. Und an der Trage ist ein Blutfleck zu sehen.
Mit Ironie arbeitet Sascha Unger: „VIP Hommage“ heißt sein hölzernes Ehrenmal für sehr wichtige Leute. Der Sperling, der auf die Widmung herabblickt, ist nicht aufgesetzt. Stele und Vogel sind aus einem Pappel-Stamm gearbeitet – ein riesiger Aufwand für einen „very important“ Spatz.
In einem Gang hat Unger Vogelkäfige unter die Decke gehängt – alle Türen offen. Und es ist Zwitschern zu hören. Menschen versuchen sich hier als gefiederte Freunde – teilweise verblüffend authentisch.
Das Hören spielt natürlich oft eine Rolle in den Arbeiten: Sabine Klupsch hat Ohren auf die eine und Lauscher auf die andere Seite einer Wand positioniert. Erlauschen oder belauschen? Das Hören ist nicht immer Kultur.
Markus Maier nutzt auch den Raum zwischen zwei Wänden: Wie Pauken wirken seine großformatigen Gemälde in knalligem Gelbrot und Gelbgrün. Hier könnten selbst Unbegabte Töne hören. Maria Allefeld ist Synästhetikerin, das heißt, sie hört Klänge, wenn sie etwas sieht. Sie hat ihre Hörwahrnehmungen für Sehende gleichsam rückübersetzt. Es sind rätselhafte Zeichen an der Wand aus einer für viele unhörbaren Welt.
Zum Thema
Die Ausstellung „Gnalk“ (Klang rückwärts gelesen) wird am Donnerstag (12. Juni) um 18.30 Uhr in der Musikhochschule, Ludgeriplatz, eröffnet. Die Ausstellung ist bis zum 26. Juli täglich von 8 bis 22 Uhr, sonntags von 11 Uhr bis 20 Uhr geöffnet.
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