Silvia Jedrusiak zeigt „Menschendinge“ im Pumpenhaus
Loslassen ist Gefühlssache
Münster
„Menschendinge“ nennt die „Formation Silvia Jedrusiak“ ihre Performance, die am Donnerstagabend im Pumpenhaus Premiere hatte. Es geht um das Loslassen können und wie schwer das ist . . .
Sie hat am meisten gehortet: Einen ausrangierten Wassersprudler, einen alten Föhn, mehrere Poesie-Alben, das einsame Bein einer Schaufensterpuppe, einen riesigen Bastkorb und vieles mehr hat sie im rechten Drittel der Bühne arrangiert. Alles alte Sachen, die weg müssen, obwohl sie ihr eigentlich mal sehr lieb waren, wie sie dem Publikum erklärt. Aber jetzt sei es an der Zeit, Raum für Neues zu schaffen. Das fällt ihr offenbar nicht leicht. Ihr nicht und auch den beiden Kollegen nicht, die sich mit ihrem eigenen Krempel den Rest der Bühne teilen.
„Menschendinge“ nennt die „Formation Silvia Jedrusiak“ ihre Performance, die am Donnerstagabend im Pumpenhaus Premiere hatte. Es geht um das Loslassenkönnen, um das Aussortieren alter Sachen, die zwar keiner mehr braucht, die man aber nie entsorgt hat – entweder weil man zu faul war oder weil man sich nicht entscheiden konnte oder weil sie einem vielleicht doch noch etwas bedeuten. Jeder hat solche Sachen zu Hause. Und keiner weiß, wie er mit ihnen umgehen soll.
Am Start sind drei Performer aus drei Generationen, die jeder einen unterschiedlichen Ansatz verfolgen. Emmanuel Edoror, 26 Jahre jung und entsprechend unbekümmert, scheint sich mit der Entsorgung seiner Vergangenheit am leichtesten zu tun, während der 66-jährige Matthias Maat von seinem Weihnachtsbaum aus Plastik offenbar gar nicht lassen kann. Liebevoll baut er ihn auf, und als dann die Lichter leuchten, leuchten sie mit seinen Augen um die Wette.
Am emotionalsten gestaltet sich der Abschied bei der 40-jährigen Maria-Laure Fiaux, als sie einen Pullover aus dem Karton zieht. Zärtlich schlüpft sie in das Kleidungsstück, das wohl mal einem Liebsten gehört hat, um es sich dann in einem wilden Tanz wieder vom Leib zu reißen. Hier scheint etwas noch nicht ganz verarbeitet zu sein, wie auch das Geschirr vermuten lässt, das sie dann wütend an der Bühnenwand zertrümmert.
Es ist eine lebendige, bildhafte Inszenierung, die Silvia Jedrusiak hier auf die Bühne bringt. Geschickt beziehen die Akteure die Gegenstände in das Spiel ein und drücken damit nicht nur ihr Verhältnis zu den Dingen, sondern auch das untereinander aus. Als sich der Eine in die Abschiedszeremonie des Anderen einzumischen beginnt, führt das zu einem wilden Kampf. Was nicht verwunderlich ist, schließlich geht es beim Loslassen um Gefühle. Und die sind bekanntlich unberechenbar.
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