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Das „Why Not?“-Kollektiv mit seiner „Reality Show“ im Pumpenhaus

Nur noch Sklaven der schönen neuen Welt?

Münster

Alexa hat auf viele Fragen eine Antwort, aber eben nicht auf alle. Das zeigt auch ein Stück im Pumpenhaus.

Helmut Jasny

Das „Why Not?“-Kollektiv präsentierte seine „Reality Show“ im Pumpenhaus David Guy Kono (Performer) und Nona Siepmann (Tänzerin). Foto: Maike Willner

Das Spiel beginnt vor 4,6 Milliarden Jahren mit der Entstehung der Erde. Vom Urknall ist die Rede und von der Drift der Kontinente, die sich auf einer riesigen Projektionsfläche hinter der Bühne herausbilden. Irgendwann ist man dann beim Kolonialismus angelangt und bei den 22 afrikanischen Präsidenten, die seit 1962 politischen Morden zum Opfer fielen. Ein Darsteller zählt ihre Namen auf wie ein Mantra, während seine Kollegin über die futuristisch wirkende Bühne tanzt – begleitet von einem Mix aus Perkussion und elektronischen Klängen, die zwei Musiker live erzeugen.

Die „Why Not? Reality Show“, mit der Romy Schmidt und ihr „Why Not? Kollektiv“ am Wochenende im Pumpenhaus gastierten, ist eine Fortsetzung des Theaters mit den Mitteln der Technik. Digital generierte und sich ständig verändernde Bühnenbilder korrespondieren mit den Aktionen der Darsteller – alles mit großer Perfektion ausgeführt, atmosphärisch dicht und von einer berückenden Ästhetik.

Inhaltlich geht es neben Kolonialismus um Zukunftsentwürfe und künstliche Intelligenz. Also eine Art Rundumschlag von der Vergangenheit in die Zukunft, wobei letztere sich in einem smarten Lautsprecher andeutet, den der Schauspieler das ganze Stück hindurch befragt. Nicht auf alles hat Alexa eine Antwort. Aber was ein Mensch ist, das weiß sie. Und dass wir noch Menschen sind, auch. Zumindest behauptet sie das.

Möglicherweise sind wir aber nur Sklaven dieser schönen neuen Welt, wie es eine Computerpanne suggeriert. Denn plötzlich erscheint auf der Projektionsfläche der berüchtigte „Blue Screen of Death“, mit dem Windows den Anwender informiert, dass jetzt gar nichts mehr geht und alles neu gestartet werden muss. Nur dass sich in den Text die aristotelische Definition des Sklaven eingeschlichen hat, nach der dieser nichts weiter als ein „beseeltes Besitzstück“ sei. In diesem Fall wohl der Software.

Hightech-Theater mit Selbstironie und aufklärerischem Impetus – so lässt sich die „Reality Show“ von „Why Not?“ wohl am besten charakterisieren. Und wem vor so viel übergriffiger Technik auf der Bühne doch ein wenig mulmig wird, kann sich mit dem 20-köpfigen Kinderchor trösten, der am Ende einmarschiert und den Zuschauern versichert, dass sie „das Salz der Erde“ und „das Licht der Welt“ seien – trotz alledem.

Das „Why Not?“-Kollektiv besteht aus David Guy Kono (Performer), Nona Siepmann (Tänzerin), Alexander Huegel (Medienkunst) Rasmus Nordholt (Komposition), Yung-Ju Tsai (Percussion), Guy Dermosessian (Co-Kreation) sowie Awa Winkel (Lichtdesign).

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