Mary Shelleys „Frankenstein“ als Jugendtheater
Opfer wird zum Täter
Münster
Es ist eine klassische Schauergeschichte – und doch noch etwas mehr: der legendäre „Frankenstein“-Roman. Das Theater Münster machte ein spannendes und beachtenswertes Jugendstück daraus.
Der erste Verleger unterstellt ihr, dass sie das Buch nicht selbst geschrieben habe. Der zweite findet Schauergeschichten zwar gut, vermisst aber ein Happy End. Der dritte will den Roman schließlich doch herausbringen – aber nur anonym. So kommt es, dass Mary Shelleys „Frankenstein“ 1818 ohne den Namen der Verfasserin erscheint.
Das erfährt das Publikum in der Frankenstein-Inszenierung von Mathias Spaan, die am Freitag im Theater Münster Premiere feierte. Der Regisseur hat die Geschichte für ein junges Publikum ab 14 Jahren bearbeitet und im Kleinen Haus auf die Bühne gebracht. Herausgekommen ist eine kluge, spritzige und originelle Aufführung, bei der auch Erwachsene auf ihre Kosten kommen.
In der Rahmenhandlung sitzt Mary Shelley mit ihrem späteren Ehemann Percy, ihrer Stiefschwester Claire und dem Arzt John Polidori auf einem Schloss in Genf fest. Es ist 1816, das Jahr ohne Sommer. Und weil sie nicht rauskönnen, erfinden sie Schauergeschichten. So erlebt der Zuschauer die Entstehung des „Frankenstein“ und bekommt gleichzeitig die Geschichte erzählt.
Diese Verschränkung der Handlungsstränge gelingt dem Ensemble hervorragend. Eva Dorlaß, Paul Maximilian Schulze, Lea Ostrovskiy und Valentin Schroeteler wechseln dabei nicht nur die Rollen, sondern auch die Darstellungsformen. Videoprojektionen und chorisches Sprechen sorgen für Abwechslung, Musik und optische Effekte intensivieren die Stimmung auf der von Anna Armann gebauten Bühne mit Lagerfeuer und Teich.
Frankenstein ist ein moderner Prometheus, der die Sterblichkeit des Menschen nicht akzeptieren will. Die namenlose Kreatur, die er mithilfe der Wissenschaft aus Leichenteilen zusammenbaut, ist ein Opfer, das zum Täter wird. Das wirft sie ihm im Buch vor. Spaan geht hier noch einen Schritt weiter. In seiner Inszenierung muss sich auch die Autorin rechtfertigen. Ihre literarische Figur entwickelt ein Eigenleben, dem sie nur noch hinterherschreiben kann.
Dieses Spiel mit unterschiedlichen Reflexionsebenen klingt kompliziert. Ist es wahrscheinlich auch. Trotzdem gelingt es Spaan und seinem Ensemble, es so in die Inszenierung einzubauen, dass man alles einwandfrei versteht. Primär- und Sekundärliteratur verbinden sich hier zu einem spannenden Theaterabend. Und das ist eine beachtliche Leistung.
Nächste Vorstellung 26. Februar
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