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Skrytin Systur stellt sich mit „Brechen & Biegen“ vor

Seit 2500 Jahren dasselbe Theater

Münster

Das Theater kann sich vieler Themen annehmen. Ein besonders spannendes Thema: das Theater.

Wolfgang A. Müller

G Foto: Skrytin Systur

Nach der Aufführung ist vor der Aufführung. Und dazwischen schwingt immer wieder die Frage: Was soll das Theater? Im vierköpfigen Ensemble, das im Kleinen Bühnenboden nach einer mauen Premiere Manöverkritik üben will, klaffen die Meinungen darüber weit aus einander.

„Brechen & Biegen“, das Debüt von Lennart Aufenvenne und Sebastian Voosholz als Autoren und Regisseure, ist eine raffinierte Arbeit von satirischer Wucht über die Welt des Theaters, seine Grundlagen, Geschichte und zeitgenössischen Diskurse. Akteure sind ein zynischer, frauenverachtender Regisseur (Nils Müller), eine aufbegehrende, Diversität fordernde Schauspielerin (Jasmin Weber) und ein Dramaturg (Shaun Fitzpatrick), dessen Moderationsversuche zum Scheitern verurteilt sind. Denn hier tobt ein erbitterter, mit teils lautstarken Beleidigungen geführter Kampf um Macht, Status und Deutungshoheit, in den sich zudem noch der Assistent (Maximilian Wigger) einschaltet. Dessen Selbsteinschätzung: „Nervös, jung und was zu sagen!“ Seine grimmige Sicht: „Das Theater ist tot“, ein „Scheißdreck“, seit 2500 Jahren dasselbe. Wie zum Hohn – oder zur Bestätigung – antwortet ihm ein Chor, der wie einer antiken Tragödie entlehnt klingt.

Dank famoser Darsteller wirken die vier Figuren selbst in ihren stereotypen Zeichnungen überzeugend. Auch darum gelingt es ihnen leicht, die Zuschauer auf einen irrwitzigen Ritt durch diverse Meta-Ebenen mitzunehmen. So wird der fiktionale Charakter des Bühnengeschehens dem Publikum erörtert, während die mittlerweile vom wutrasenden Regisseur erschossene Schauspielerin nach einer Zigarette greift und sich für ihre Rache präpariert: Ein weiblicher Macbeth setzt zum überfälligen kulturellen Putsch an.

Gleich mehrfach dient der Vorhang mal als Pforte zur vermeintlich eigentlichen Handlung, mal als Teil eines Stücks im Stück. Wo die vier Protagonisten aber versagen, die Rolle des zeitgenössischen Theaters befriedigend zu klären, übernimmt dies die Inszenierung selbst. Schlau und akribisch verschachtelt, immer wieder überraschend, dabei engagiert und komisch, zeigt sie kein Abbild, sondern ein Sinnbild der Realität. All das kommt dem, was man als Zuschauer vom Theater erwarten möchte, also sehr nah. Ein starkes Debüt, dem man wünschen und zutrauen darf, auch größere Bühnen zu erobern.

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