Künstlerin Katharina Kneip ist seit 100 Tagen unterwegs
Viel Freundlichkeit auf der Welt
Münster.
Die Welt das Stress: Putin führt Krieg in Europa; Klimawandel bedroht zukünftige Generationen; die Pandemie hat Menschen verunsichert. Argwohn und Angst scheinen sich zu verbreiten. Die Künstlerin Katharina Kneip hat in diesen Zeiten ihr Projekt „Round Motion“ begonnen. Seit 100 Tage ist sie unterwegs. Und berichtet von viel Menschenfreundlichkeit.
Ein junger Mensch klopft an Ihre Haustür: „Ich komme aus Deutschland und gehe einmal um die Welt. Kann ich von Ihnen Wasser bekommen?“ Würden Sie ihm Kuchen backen, Honig schenken, ein Bett bereiten, ihr Häuschen zur Verfügung stellen? Seit 100 Tagen bewegt sich Katharina Kneip zu Fuß auf ihrem Weg von Münster nach Münster – einmal um die Nordhalbkugel. Eine erste Bilanz: viel schlechtes Wetter, abwechslungsreiche Landschaft, unglaublich viele freundliche Menschen.
Durch Deutschland, Dänemark und Schweden erreicht die Künstlerin Norwegen und lässt Lillehammer hinter sich, wo im Jahr 1994 Olympische Winterspiele stattfanden. Das nächste Ziel ist Trondheim; bis zum Ende des Jahres will sie Kirkenes an der russischen Grenze erreichen – alles zu Fuß. Apropos „Grenze“: In einem kleinen Waldstück am Meer überquert Kneip eine europäische Grenze nach Dänemark „nebenbei“: „eigentlich ganz so, wie es sein sollte“, schreibt sie in einem ihrer Newsletter: „So gut wie keine Frage nach Trinkwasser endete nur mit Wasser, sondern wurde begleitet von Cola, Schokolade, einmal einem ganzen Kuchen, eigenen Geschichten und Sheltertipps.“ Der dänische Kajakklub Krogen begleitet sie über den Öresund nach Helsingborg. In Skandinavien werden die asphaltierten Wege weniger; daher lassen die Schmerzen in den Füßen nach. „Mein Tagespensum schwankt zwischen 20 und 50 Kilometern, aktuell immer zwischen 25 und 30 Kilometern.“ Vor allem auch, weil es viel regnet, sämtliche Sachen feucht werden, längere Pausen wenig attraktiv sind. „Bis Oslo hatte ich maximal eine Woche Sonne.“ Insgesamt legt Katharina Kneip in den 100 Tagen mindestens 1500, mit den Kurven und Umwegen wahrscheinlich eher 2000 Kilometer zu Fuß zurück. „Genau weiß ich das nicht; das ist mir auch nicht wichtig.“
Wichtiger sind die Begegnungen mit den Landschaften und den Menschen. Und jede Begegnung hat ihre Besonderheit, wie sie im Gespräch mit dieser Zeitung erzählt: Weil an einem Sonntag in dem angepeilten Ort die Geschäfte geschlossen haben, nimmt sie einen anderen Weg und kommt an einem buddhistisches Kloster vorbei: Eine Handvoll Waldmönche des Lokuttara Vihara in der thailändischen Waldtradition von Ajahn Chah heißt sie willkommen: „Willst Du Mittagessen?“ Es ist sogar ein 23-jähriger Novize aus Deutschland dort. In Göteborg trifft sie beim Couchsurfing auf zwei Frauen aus Afghanistan; via Internet wird deren Mutter zugeschaltet, die angesichts der wandernden jungen Frau aus Deutschland die Töchter anweist: „Sie braucht jetzt afghanisches Essen, um wieder zu Kräften zu kommen!“ Mütter halt . . .
Zeugen Jehovas sprechen Kneip auf der Straße an und laden sie zur Übernachtung zu sich nach Hause ein. Im schwedischen Halmstad begegnet ihr ein Kirchenmusiker und dessen Frau, die mal in Frankfurt gelebt hatten. Die Frau freut sich: Sie habe just das Sofa frisch bezogen, um dort selbst zu übernachten, weil ihr Mann so schnarche. Gastfreundlich fröhlich überlässt sie nun das Lager der Münsteranerin, deren Vater selbst über 30 Jahre als Kirchenmusiker gearbeitet hatte. „Das war ein bisschen das Gefühl wie zu Hause.“ Überhaupt: Es klinge vielleicht kitschig, sagt die Künstlerin angesichts der ihr entgegengebrachten Freundlichkeit der Menschen: „Ich fühle da eine Liebe.“
Diese Zeitung wird das mehrjährige Projekt mit einer regelmäßigen Berichterstattung begleiten.
Das Gehen der Katharina Kneip
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