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„Amstel Quartet“ bei „Summerwinds“ in der NRW-Bank

Wagners Ring in 20 Minuten – genial

Münster

Wer den Versuch unternimmt, die Essenz des Wagnerschen Rings in 20 Minuten wiederzugeben, ist entweder total verrückt – oder aber schlichtweg genial.

Stefan Herkenrath

Das „Amstel-Quartet“ mit Renske Vrolijk beim „Summerwinds“-Festival in der NRW-Bank. Foto: Stefan Herkenrath

Dass die klassische Musik wunderbar intensive und betörend klangschöne Werke für das Saxofon hervorgebracht hat, ist leider viel zu wenig bekannt. Beim Konzert des „Amstel-Quartets“ nutzten am Wochenende – angesichts der sommerlichen Temperaturen – erstaunlich viele Zuhörer die Gelegenheit, diese Bil-dungslücke zu füllen. Im Rahmen der „Summerwinds Münsterland“ konzertierte das nicht nur nach Einschätzung der niederländischen Presse „farbigste Saxofonquartett der Welt“ in der NRW-Bank mit einem Programm, das einen weiten und spannungsreichen Bogen schlug vom zu Unrecht beinahe vergessenen amerikanischen Komponisten Paul Creston bis zu dessen zeitgenössischer Kollegin, der niederländischen Komponistin Renske Vrolijk, die beim Konzert anwesend war.

Wer den Versuch unternimmt, die Essenz des Wagnerschen Rings in 20 Minuten wiederzugeben, ist entweder total verrückt – oder aber schlichtweg genial. Das Arrangement von Gijs Kramers stellte die Virtuosität und Durchhaltekraft der vier jungen Musiker Remco Jak (Sopransaxofon), Olivier Sliepen (Altsaxofon), Bas Apswoude (Tenorsaxofon) und Ties Mellema (Baritonsaxofon) auf eine harte Probe, die diese brillant bewältigten. Trotz des die Physis der Virtuosen extrem fordernden Parforceritts durch die wagnersche Partitur gestaltete das Quartett jederzeit mit höchster Musikalität. Die Modernität der wagnerschen Harmonik war in komprimierter Fassung vielleicht noch greifbarer als im Original. Eindeutig genial.

Vom „Lachrymae“ Renske Vrolijks (im Auftrag des Orgelfestivals Haarlem für das „Amstel Quartet“ komponiert) existieren zwei Fassungen, eine für Orgel und eine für Saxofonquartett. Der an das Streichquartett erinnernde, dichte, intensive und extrem homogene Klang der vier Saxofone braucht den Vergleich mit der Königin der Instrumente nicht zu scheuen. Die spezifische, harmonisch irisierende Textur der Komposition erfährt in dieser Besetzung sogar eine Transzendierung.

Ausgehend von John Dowlands gleichnamiger Komposition hat Vrolijk ein Werk geschaffen, das die spezifische Melancholie des Renaissance-Liedes mit der linearen Stringenz ihres Landsmannes, des Organisten Jan Pieterszoon Sweelinck vermählt und in eine moderne Tonsprache über-setzt. Deren meditativer, aber gleichzeitig auch drängender Charakter wurde von den vier jungen Saxofonisten so intensiv gestaltet, dass die Zuhörer hörbar die Luft anhielten. So klangschön kann zeitgenössische Musik sein, die sich nicht mehr verpflichtet fühlt, ihr Heil einzig in der Dissonanz zu suchen. Chapeau.

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