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Filmwechsel in der Kunsthalle Münster: „Maria Theresia und ihre 16 Kinder“

Wild sprudelnde Assoziationen

Münster

Nach dem Erstkonsum dieses Videos ist man geneigt, ein Loblied auf Verdrängen und Vergessen zu singen, eine Hymne auf den Verstand, der die Welt schön ordentlich hält. Im Rahmen der Ausstellung „beyond future is past“ in der Kunsthalle Münster zeigen Ulu Braun und Roland Rauschmeier ihren halbstündigen Film „Maria Theresia und ihre 16 Kinder“. Ein kurzweiliger Assoziationsbeschuss mit Bildung und Bildern anhand der vielen Sprösslinge einer fruchtbaren Kaiserin.

Gerhard H. Kock

Skurril: In dem Film „Maria Theresia und ihre 16 Kinder“ wird eine Mutter mit ihren Kindern aus der Zeit des Rokoko im Wald porträtiert als Tiger, der eine Mischung aus dem Musical „Cats“ und „Kellogg’s Cornflakes“-Werbung ist. Foto: Braun / Rauschmeier

Ähnlich wie bei der Unübersichtlichkeit dynastischer Beziehungen verliert der Erstbetrachter rasch den Überblick über die Motive aus allen Ecken der Video- und Filmwelt: Dokuschnipsel, Animationen, Spielfilmszenen, Selbstgedrehtes sind bei Rauschmeier und Braun scheinbar willkürlich hintereinandergeklebt. Indes ist es weniger der Verstand als die Empfindung, die hier einen roten Faden spinnt, der sich trotzdem kaum fassen lässt.

Anfangs blickt ein Lachs im Flachwasser in die Kamera – Symbol für Fülle und unaufhaltsamen Paarungsdrang. Es folgen alte Segelschiffe, sie werden bestiegen; dann ausgestopft: Gemsen, Bär und Geier. Der Mond scheint in diese naturwissenschaftliche Studierstube – Anspielungen auf den aufgeklärten Absolutismus, für den Maria Theresia und vor allem später ihr Sohn Joseph II. von Österreich stehen.

Ein Eingeborener erklärt einem alten weißen Mann etwas. Ein Wolf schleicht durchs Gebüsch. Zwei Flüsse (einer trüb, einer klar) verbinden sich. Eine animierte Urzeit-Frau fällt ins Wasser, als warte sie auf Versteinerung und Entdeckung durch Archäologen. Jetzt erscheint der Schriftzug: Maria Theresia Kaiserin von Österreich, gestorben am 29. November 1780.

Das Datum ist richtig. Es überwiegt aber die Fiktion. Die Künstler nennen es „Docu-Fiction“. Anhand der einzelnen Kinder Maria Theresias werden Assoziationsfelder, besser -landschaften geöffnet, die etwas mit dem Leben dieser Jungen und Mädchen zu tun haben können. Beim Sohn Joseph II. ist ein dicker Mann mit Schnäuzer und schütterem Haar in einem kurzärmeligen Hawaii-Hemd zu sehen, der lacht, dass sein Speck wabbelt. Schnitt. Filme in Schwarzweiß zeigen Berg- und Waldarbeiter.

Zur berühmtesten Tochter der Kaiserin, Marie-Antoinette, rauschen Rollläden guillotinenartig herab, werden Wimpern getuscht und traktiert eine Künstlerin eine mannshohe Leinwand gestenreich mit dem Pinsel. Frauen mit nackten Brüsten springen aus Flugzeugen, Adler observieren mit Sensoren, Tote liegen auf dem Schlachtfeld, eine Ballerina trägt einen Weltraumanzug.

Unter dem Titel „Teilung Ungarns“ wird ein Schweine-Kadaver in einer Schlachterei in zwei Teile zerlegt. Zwei Adler kreisen wie angekettet im freien Fall umeinander: der Doppeladler als Symbol für das Kaisertum der Habsburger. Beim Untertitel „Bregenz Seebühne“ ist eine Ölplattform zu sehen. Kultur als sprudelnde Einnahmequelle?

Gegen Ende wird die Rakete „MS Habsburg“ von der Wiener Raumstation zur nördlichen Hemisphäre gestartet, auf dem Mond schaut ein Astronaut verträumt die Erde an. Zwei Jungen und zwei Mädchen in weißen Kleidern sowie eine junge Frau toben ausgelassen in einem Botanischen Garten. Ein Knabe kostet von den roten Johannisbeeren – bedrohtes Paradies „k. u. k. Monarchie“, Warnung vor einer Seligkeit in Erinnerungen.

Zum Thema

Der Film „Maria Theresia und ihre 16 Kinder“ ist am Freitag bis Donnerstag (5. bis 11. Januar) in der Kunsthalle, Hafenweg 28, zu sehen. Dienstag bis Freitag von 14 bis 19 sowie Samstag und Sonntag von 12 bis 18 Uhr. Eintritt frei.

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