Reset-Festival endet mit Theaterexperiment im Pumpenhaus
Zäh wie Kaugummi
Münster
Geht nicht gibt’s nicht! Zum Beispiel Sonntagabends ins Theater zu gehen, ohne den Tatort zu verpassen. Beim Abschlussabend des diesjährigen Resetfestivals im Pumpenhaus wurde beides geboten: Während im Hintergrund live die Tagesschau, der Tatort mit Ulrich Tukur und Günther Jauchs Talkrunde in Echtzeit abliefen, fand vor dem Bildschirm eine Theaterstück statt. Tatort: das Wohnzimmer von Miri (Stefanie Bockermann) und Stefan (Toto Hölters). Zeuge der Parallelinszenierung: das unplüschig auf Treppenstufen drapierte Publikum, das nun die Wahl hatte, dem Krimi seine Aufmerksamkeit zu schenken oder dem Dialog der Eheleute. Vielleicht sogar beidem.
Die nervige Miri und der wortkarge Stefan agieren ausnahmslos mit dem Rücken zu den Zuschauern, denn eigentlich wollen auch sie den Krimi ansehen, aber ihr belanglos beginnendes Gespräch steigert sich in Bloßstellungen, Anschuldigungen und Verdächtigungen: Szenen einer illusionslosen Ehe halt. Nicht immer ist das Gespräch zu verstehen, weil die Akustik schlecht ist. Die Sprechrichtung ist publikumsabgewandt, der mitlaufende Ton des Fernsehers tut sein übriges.
Während Miri mit ihren „Kommentaren zur Partnerschaft“ noch manchen Schmunzler hervorrufen kann, bleibt Stefan blass. Es gibt – gewollt oder nicht – Leerstellen und langes Schweigen. Zäh wie Kaugummi zieht sich die Vorführung einer Ehe ohne Ausweg hin. Die Anspielung an den Titel eines Sartre-Dramas („Geschlossene Gesellschaft“) kommt nicht von ungefähr.
Mit der Schlussmelodie des Tatorts haben Miri und Stefan ausgespielt. Jauch erscheint auf dem Bildschirm, und parallel betreten fünf Akteure das Wohnzimmer der Eheleute, allesamt bekannte Persönlichkeiten aus dem Münsterland, die zum Teil seit Jahrzehnten politische Arbeit außerhalb der Parteien leisten oder als Aktivisten auf sich aufmerksam machen. Damit wird die Talkshow zur Bühnenperformance.
Der Zuschauer sieht sich unversehens in einen Polittalk gezogen. Leiterin Alexandra Hippchen findet kaum ein Ende bei der Anmoderation, Volker Maria Hügel nutzt seinen Auftritt für ausufernde Monologe („Ich könnte anderthalb Stunden referieren“). Einzig die erfrischende Cécile Lecomte, die sich gerne über Eisenbahntrassen hängt, um Umwelt-Missstände zu brandmarken, bringt Schwung in die einvernehmliche Runde, in der kein Andersdenkender sitzt. Knapp drei Stunden ohne Pause hat das heterogene Fernsehtheater gedauert.
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