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Gastbeitrag vom Oberbürgermeister

Lewe: Münster wird die Krise meistern

Münster

Die Corona-Krise stellt alle Menschen in Münster auf eine harte Probe – auch den Oberbürgermeiste Markus Lewe. Er bedankt sich bei den Bürgern für ihren vielfältigen Einsatz, ihre Einsicht und Rücksichtnahme. Und Lewe ist optimistisch, dass Münster sich nicht unterkriegen lässt.

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Oberbürgermeister Markus Lewe – in Zeiten von Corona, auch häufig mit Mundschutz unterwegs. Foto: Oliver Werner

Als ich kürzlich mit dem Fahrrad abends aus dem Büro die Salzstraße entlang fuhr, sah ich an in einem Hauseingang einen offensichtlich obdachlosen Menschen liegen. Er schien Hilfe zu benötigen. Was tun, fragte ich mich. Eigentlich natürlich aufhelfen. Aber ist das in Zeiten von Corona nicht viel zu gefährlich? Ich war unsicher.

Unsicherheit als Konstante

Wenn es in diesen schwierigen Tagen eine Konstante gibt, dann ist es aber eben wohl die Unsicherheit. Wie geht es unseren Angehörigen, die vielleicht allein in ihrer Wohnung oder in einem Pflegeheim leben? Wie sicher ist mein Job? Wird mein kleines Geschäft überleben, wenn die Krise weiter andauert? Ist der Abstand zum Vordermann in der Schlange im Supermarkt ausreichend? Und ganz grundsätzlich: Wie sieht die Welt nach Corona aus? Uns allen geht das vermutlich so, Ihnen ebenso wie mir. Nehmen kann ich Ihnen die Unsicherheit deshalb nicht.

Es sind unzählige Maßnahmen, die gerade auf allen Ebenen von Politik, Verwaltung und Gesundheitswesen in Gang gesetzt werden. Diese alle aufzuzählen, sprengt den Rahmen. Aber ich kann Ihnen ein paar Eindrücke schildern, ein paar Geschichten erzählen. Von dem, was ich in den letzten Wochen in Münster erlebt habe, denn als Oberbürgermeister bin ich zurzeit wohl mehr in der Stadt unterwegs als irgendjemand sonst.

Frühmorgens ist das Erste was ich tue, unseren Krisenstab zu kontaktieren. Es ist beeindruckend, mit welchem Einsatz hier von frühmorgens bis spätabends für unser aller Wohl gearbeitet wird. Mit Augenmaß, wo es möglich ist, aber auch mit Konsequenz, wo sie nötig ist. Es waren teilweise harte Entscheidungen, die hier getroffen werden mussten, bis hin zur Absage sämtlicher Veranstaltungen. Aber immerhin kann mit den nötigen Anpassungen der Wochenmarkt bisher weiter stattfinden.

Helfen, so gut es geht

Wie schwer dieses Leben „drinnen“ ist merken zurzeit besonders die Familien. Mit der Einrichtung von Notbetreuungen versuchen wir als Stadt hier zu helfen, so gut es geht. Auch die jetzt beginnenden Osterferien werden nicht so unbeschwert sein können, wie wir das gerne hätten. Ich weiß als Großvater, wie schwierig das sein kann. Aber: Auf meinen Wegen durch die Stadt fallen mir an vielen Fenstern die bunten Regenbogenbilder ins Auge. „Alles wird gut. Wir bleiben Zuhause“, ist da zu lesen. Ich bin sehr stolz darauf, wie Kinder und Eltern mit der Situation umgehen.

Währenddessen machen die Pflegenden und die Ärzteschaft in Münsters Krankenhäusern einen großartigen Job. Im UKM habe ich mir letzte Woche eine virtuelle Intensivstation erklären lassen dürfen. Die Krankenhäuser in Westfalen-Lippe können so an der Expertise des UKM als Haus der Maximalversorgung teilhaben. Innerhalb kürzester Zeit wurde hier ein Modell entwickelt, das inzwischen zum Vorbild für viele andere Regionen in Deutschland geworden ist. Gleiches gilt für die Idee, aus dem Blut von bereits genesenen Corona-Patienten, ein Serum zu entwickeln. In dem Blut sind Antikörper gegen das Virus vorhanden. Mit dem Serum könnten – bei Erfolg – Patienten mit einem schweren Krankheitsverlauf behandelt werden. Auch hier war und ist die Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung riesig. Wir können sicher sein: Ein Jeder und eine Jede erhalten in Münster die bestmögliche Versorgung im Falle des Falles.

Unabhängig von der gesundheitlichen Bedrohung, treiben Existenzsorgen viele – gerade Gewerbetreibende – um. Die staatlichen Hilfen werden hier hoffentlich das Schlimmste verhindern. Was wir als Stadt tun können, das haben wir getan, etwa durch die Stundung der Gewerbesteuer. Dies ist gleichzeitig die Haupteinnahmequelle des städtischen Haushalts. Ich halte es dennoch für geboten, dass wir jetzt in der Krise den Firmen, Handwerksbetrieben und Gewerbetreibenden der Stadt so weit wie möglich entgegenkommen. Denn nur wenn wir unsere Wirtschaft möglichst unbeschadet durch die Krise bringen, bewahren wir uns als Stadt den nötigen Gestaltungsspielraum für die Zukunft.

Portal "Münster bringts"

Und die Unternehmer, auf die wir zu Recht so stolz sind, haben sofort auch selbst angepackt. Innerhalb kürzester Zeit wurde unter Federführung der Initiative Starke Innenstadt das Portal „Münsterbringt`s“ (www.muenster-bringts.de) ins Leben gerufen. Hunderte Unternehmen präsentieren sich dort und bieten ihre Produkte an – und das mit Erfolg! Und das Portal ist nicht nur für Geschäfte der Innenstadt „reserviert“, sondern führt inzwischen Angebote für fast jeden Stadtteil auf. Auch das ist ein wunderbares Zeichen gelebter Solidarität in schweren Zeiten.

Ähnliches gilt für die Gas­tronomen, die unter den Schließungen ihrer Betriebe natürlich schwer zu leiden haben. Viele von ihnen haben sich zusammengeschlossen und bieten Speisen an, die bequem nach Hause bestellt werden können. Ich kann nur appellieren: Versuchen Sie es mal unter www.hungrig.ms. Inzwischen dient das Portal aus Münster als Vorbild für Städte wie Hamm und Aachen.

In Münster haben wir bisher sieben Todesfälle zu beklagen. Fast alle litten unter schweren Vorerkrankungen, waren über 80 Jahre alt und hatten dem Virus wohl einfach nichts mehr entgegen zu setzen. Mich hat das sehr betroffen gemacht. Aber gerade angesichts des Leids, mit dem wir konfrontiert sind, geben mir die von mir geschilderten Beispiele für gelebte Nächstenliebe, verantwortungsvollen Bürgersinn, spontane Kreativität, unermüdlichen Einsatz und empathische Rücksichtnahme auch große Hoffnung. Nein, eher Gewissheit. Ich weiß, dass wir das gemeinsam meistern werden. Dass Münster sich von dem Virus weder unterkriegen noch spalten lassen wird.

Münster hält zusammen

Und die letzte Episode schließt am Anfang an: Was habe ich getan, als ich den Hilflosen am Boden sah? Ich habe angehalten, mich zu ihm gekniet, einen Notarzt gerufen und ihm Kraft zugesprochen. Denn auch die Angst vor dem Corona-Virus darf uns nicht davon abhalten, selbstverständliche Mitmenschlichkeit zu üben. Wenn wir unsere Mitmenschen trotz aller eigenen Sorgen im Blick behalten, mithelfen, mitdenken und auch mitfühlen – dann werden wir trotz aller Widrigkeiten viel stärker aus dieser Krise hervorgehen, als wir hineingegangen sind.

Und dann wird uns das kommende Osterfest, an dem wir weder unsere Verwandten noch die Ostergottesdienste besuchen können, nicht als das Traurigste oder Seltsamste in Erinnerung bleiben. Sondern als das Osterfest, an dem uns allen klar wurde: Münster hält zusammen. Münster steht zusammen. Münster ist stärker.

Markus Lewe, Oberbürgermeister der Stadt Münster

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