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Amtsgericht

Müllsammler: Blanke Nerven beim zweiten Prozessauftakt

Münster

Alles auf Anfang: Der Prozess gegen den stadtbekannten Müllsammler und Kran-Kletterer wurde am Freitag neu aufgerollt. Der Angeklagte schimpfte gegen viele Beteiligte – vor allem gegen den psychiatrischen Gutachter.

Wie beim ursprünglichen Prozessbeginn hatte der Müllsammler seine umfangreichen, schriftlichen Erklärungen in einer Plastiktüte mitgebracht. Foto: Matthias Ahlke

Bevor die Vorsitzende Richterin der Staatsanwaltschaft das Wort erteilt hat, beginnt der Angeklagte seinen Redeschwall: Alles beginnt, wie es auch beim ursprünglichen Prozessauftakt gegen den stadtbekannten Müllsammler begonnen hat. Ein Antrag des Angeklagten auf Aussetzung war erfolgreich gewesen, daher musste das Verfahren am Freitag (19. Mai) erneut eröffnet werden.

Immerhin, während die Staatsanwälte die umfangreichen Anklageschriften verlesen, bleibt der 59-jährige Münsteraner ruhig. Wie schon beim ersten Prozesstermin beantragt er die Aussetzung des Verfahrens. Wieder beschuldigt er seinen Pflichtverteidiger fehlerhaften Verhaltens,  auch die Vorsitzende Richterin habe Fehler begangen. In der JVA würden seine Menschenrechte verletzt, auch der Pressesprecher am Amtsgericht findet Platz in seiner Tirade. Auf den psychiatrischen Gutachter Dr. Norbert Leygraf hat er es allerdings besonders abgesehen. Dieser hatte ihn, entgegen einem anderen Gutachten, als sowohl zurechnungsfähig als auch ungefährlich für die Allgemeinheit eingestuft.

Gutachter beleidigt und beschuldigt

Wie Verteidiger Dr. Winfried Rath erträgt Leygraf die Seitenhiebe gegen seine Person zunächst gefasst. Nach mehreren Stunden, in denen der Angeklagte ihn beleidigt und schwere Vorwürfe gegen ihn erhebt, verliert der Mediziner schließlich doch die Fassung, was den Kran-Kletterer zu weiteren Ausfällen anstachelt. Die Richterin unterbricht die Verhandlung. Leygrafs Reaktion nimmt der Beschuldigte anschließend zum Anlass, den Arzt als „hochaggressiv“ zu bezeichnen.

Immer wieder müssen die Vorsitzende und der Staatsanwalt den Angeklagten unterbrechen und darum bitten, sich zu den konkreten Vorwürfen zu äußern. Seine Ausschweifungen nutzt er, um sich immer wieder als Opfer der Behörden darzustellen.  Mit Nachdruck fordert der Staatsanwalt  ihn auf, die Vergleiche mit dem dritten Reich zu unterlassen.

Angeklagter will Zeugen und Richterin diskreditieren

Auch während der Befragung dreier Zeugen muss die Richterin den Angeklagten mehrfach zur Ruhe ermahnen: „Sie haben jetzt nicht das Wort“, ruft sie mehrmals, sichtlich irritiert. Zwei Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes berichten, wie der Kinderhauser sie mit einer Eisenstange bedrohte, als sie Fotos von dessen vermülltem Grundstück machten.

Jegliche Abweichung zwischen den Aussagen versucht der Beschuldigte zu nutzen, um die Zeugen zu diskreditieren – auch die Vorsitzende will er bloßstellen, indem er sie nach ihrer Expertise bezüglich Brechstangen ausfragt. „Wir sind hier nicht beim Quiz“, weist Haverkamp ihn scharf zurück.

Langjähriger Nachbar des Müllsammlers sagt aus

Zuletzt sagt ein langjähriger Nachbar des Angeklagten aus. Auch mit ihm gerät der 59-Jährige kurzfristig aneinander. Im Vergleich zu der Art und Weise, mit der er zuvor gegen Richterin, Anwälte und Gutachter gewettert hatte, wirkt seine Einstellung zu dem 74-Jährigen gemäßigt. Der Nachbar berichtet, dass er sich hin und wieder mit dem Angeklagten unterhalte und insgesamt ein gutes Verhältnis zu ihm habe. Das bestätigt dieser mit ungewohnter Milde.

Das Verfahren wird am 26. Mai fortgesetzt.

Die Historie im Fall des Müllsammlers

16. Mai 2023: Erneute Wende im Fall des Müllsammlers: Das aktuelle Verfahren vor dem Amtsgericht muss kurz nach Beginn neu aufgerollt werden.

11. Mai 2023: Vor dem Amtsgericht Münster beginnt erneut ein Prozess gegen den stadtbekannten Müllsammler.

3. Mai 2023: Der Prozess gegen den Müllsammler ist terminiert. Für die insgesamt neun angesetzten Termine sind 30 Zeugen geladen.

1. März 2023: Bei der Räumung wurden 160 Kubikmeter Müll vom Althausweg abtransportiert. Doch das Kapitel ist noch nicht geschlossen.

28. Februar 2023: Die Nachbarn in Kinderhaus atmen auf: Das Ordnungsamt der Stadt Münster lässt das Grundstück des Müllsammlers am Althausweg erneut räumen.

22. Februar 2023: Auf dem Grundstück des stadtbekannten Müllsammlers in Münster-Kinderhaus türmt sich erneut der Müll. Der Unmut der Nachbarn ist groß.

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