Neue Nato-Kommandozentrale geplant
Zoff ums neue Hauptquartier: Münster oder Stettin?
Münster
Steht das neue Armee-Hauptquartier der Nato bald in Münster? Wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht, ist das so. Das Problem: Nato-Partner Polen macht sich für Stettin stark.
Der Kalte Krieg ist zurück in Europa. Nach Jahren, in denen Deutschland und das übrige Europa in Afghanistan, Mali und am Horn von Afrika verteidigt wurden, rüstet sich der Westen wieder für eine Auseinandersetzung mit Russland. Die neue alte Konfrontation hat Folgen, die bis nach Münster reichen.
Die Nato will ihre Führungsstruktur an die neue sicherheitspolitische Lage anpassen. Unterhalb der drei oberen Kommandos in Neapel, Brunssum und Norfolk soll ein neues Armee-Hauptquartier geschaffen werden. So weit herrscht im Bündnis Einigkeit. Bei der Standort-Suche allerdings knirscht es offenbar gewaltig.
Machtkampf um Standort tobt
Die Bundesregierung hat sich mit dem Deutsch-Niederländischen Korps und dem Standort Münster beworben, die polnische Regierung in Warschau hat ihr Multinationales Korps Nordost in Stettin ins Rennen geschickt. Das Verteidigungsministerium sagt auch hinter vorgehaltener Hand nur ein paar dürre Sätze, bestätigt aber zumindest die Münster-Option. Beim Korps gibt man sich zugeknöpft. „Kein Kommentar.“ Weil die Standortfrage hinter den Kulissen eifrig diskutiert wird, oder besser gesagt: der Machtkampf tobt, geben sich die Verantwortlichen wortkarg.
Fest steht jedenfalls: Für Polen und Deutschland geht es bei der Frage Münster oder Stettin nicht nur um effektive Nato-Strukturen, sondern auch um Prestige und Einfluss. Ein Armee-Hauptquartier würde in einem Einsatz bis zu 150.000 bis 600.000 Soldaten aller Waffengattungen führen und wird von einem Vier-Sterne-General befehligt. Das ist der höchste militärische Rang in der Nato.
An der Spitze des Deutsch-Niederländischen Korps steht ein Generalleutnant, also ein Drei-Sterner. Es ist als schnell verlegbares Hauptquartier der Allianz schon jetzt in der Lage, 40.000 bis 100.000 Soldaten in einem Einsatz zu führen und hat in diesem Jahr das Kommando über die Nato-Response-Force. Die ist mit ihren rund 50.000 stand-by stehenden Soldaten Abschreckung und Schnelle Eingreiftruppe zugleich.
Scheidet Stettin wegen geografischer Lage aus?
Während sich also Polen für Stettin und Berlin für Münster ins Zeug legen, ist die Regierung in Den Haag von den Plänen insgesamt wenig begeistert. Denn: Würde aus dem Deutsch-Niederländischen Korps das Armee-Hauptquartier Nord der Nato, wäre das seit über 30 Jahren von Deutschen und Niederländern gleichberechtigt geführte Hauptquartier sofort Geschichte. Weil die kleinen Niederlande in einem Vier-Sterne-Hauptquartier nur eine nachgeordnete Rolle spielen würde.
Ungeachtet dessen ist das Fingerhakeln zwischen Polen und Deutschland in der Hauptquartiersfrage anhaltend kräftig. Dabei, so ist zu hören, gerate Stettin aus geografischen Gründen zusehends ins Hintertreffen. „Es läge im Ernstfall einfach zu nah im Wirkungsbereich der ballistischen Waffen Russlands“, heißt es. Kurzum: Viel zu nah an der Front.
„Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“, sagt der Volksmund. Das könnte in diesem Fall das Hauptquartier der US-Army in Wiesbaden sein. Die USA drängen die europäischen Nato-Partner zwar, mehr für die gemeinsame Sicherheit in Europa zu tun, weil sie sich mehr um die Bedrohung durch China kümmern wollen – „sie wollen das Ding ans Fliegen bringen“, sagt jemand. Gleichzeitig sehen sie aber auch, dass die Europäer derzeit dazu allein noch nicht in der Lage sind.


Sprunghafter Anstieg US-amerikanischer Soldaten erwartet
„Sollten die Amerikaner darum Wiesbaden vorschlagen, werden alle Ja sagen, auch die Polen“, sagt ein Militär in Berlin. Egal, ob Münster oder Stettin, fest steht: Die Aufwertung wird die personelle Zusammensetzung im neuen Armee-Hauptquartier deutlich verändern. „Der Anteil US-amerikanischer Soldaten wird sich sprunghaft erhöhen“, sagt ein Kenner. Denn: „Je höher die Kommandoebene, desto mehr US-Amerikaner.“
Bereits 2025 will die Nato die neue Führungsstruktur etabliert haben. Dass die Verantwortlichen im Bündnis aufs Tempo drücken, verwundert angesichts der russischen Eskalation nicht. Bereits im April soll die neue Führungsstruktur nato-intern stehen, danach stehen die Verhandlungen auf Regierungsebene an.
Startseite