Rosenmontag
Im Kampf gegen K.o.-Tropfen: Unterwegs mit dem Frauen-Notruf
Münster
Laute Musik, bunte Farben und viele Feiern – aber Karneval kann auch, gerade für Frauen, seine Schattenseiten haben. Unsere Redaktion hat an Rosenmontag ein Team des Frauen-Notrufs begleitet.
Sieben Fälle von „sexueller Belästigung“ bilanziert die Polizei Münster am Tag nach Rosenmontag. Zudem haben zwei Frauen in einem Fall Anzeige erstattet, weil ihnen K.o.-Tropfen verabreicht worden seien. Ob es aber angesichts des Treibens zehntausender Feiernder wirklich nur zu dieser, laut Polizei keineswegs außergewöhnlichen, Zahl an Fällen gekommen ist, bleibt offen.
„Die Dunkelziffer ist hoch“, ist sich Nora Perlewitz sicher. Perlewitz (29) ist ehrenamtliche Mitarbeiterin des Frauen-Notrufs. Der Verein ist als spezialisierte Fach- und Beratungsstelle zum Thema sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen schon seit vier Jahrzehnten in Münster tätig.
Offene Ohren bei der Zielgruppe
Am Rosenmontag ist Perlewitz mit Aline Schlake (27) und Lara Mentzner (29) unterwegs. Gemeinsam, gekleidet in leuchtend grünen Jacken und ausgestattet mit pinken Beuteln voller „Goodie-Packs“, wollen sie Aufklärungsarbeit leisten. Und das kommt vor allem bei der jungen Zielgruppe an: „Sexualisierte Gewalt hat fast jede Frau schon mal erlebt“, ist sich eine junge Frau im Teufelskostüm sicher. „Richtig gut“, lobt derweil eine Jugendliche mit schwarzem Tüllrock, als sie das „Goodie-Pack“ des Frauen-Notrufs inspiziert, das Perlewitz ihr überreicht hat.
K.o.-Tropfen für viele ein bekanntes Thema
Auch in der Folge nicken die Frauen immer wieder voller Verständnis, wenn sie von dem Trio des Frauen-Notrufs an diesem Tag angesprochen werden. Die Aktion trifft ganz offenbar einen Nerv. Aline Schlake fragt immer wieder nach, ob ihr Gegenüber schon Erfahrungen mit dem Thema gemacht habe. In fast jeder Gruppe wird das bestätigt.
Kampagne „Voll ist out“
Übrigens berichten nicht nur Frauen, sondern auch Männer von unterschiedlichen Vorfällen. Ein 20-jähriger, als Arzt verkleideter Schüler mutmaßt, er sei schon einmal versehentlich Opfer von K.o.-Tropfen geworden, als er mit seinen Freundinnen etwas Trinken gewesen sei. Den Verlauf des Abends könne er nur aus Sicht seiner aufmerksamen Begleiterinnen schildern, denn er selbst habe so gut wie keine Erinnerung mehr an den Abend.
Frauen-Notruf: Frauen trifft keine Schuld
„K.o.-Tropfen hatte ich schon mal drin“, erzählt auch eine Frau mit Blumenkette am Alten Steinweg. Medizinisch überprüfen lassen habe sie das aber nicht, auch Anzeige habe sie nicht erstattet. Nora Perlewitz rät anders zu handeln: „Jeder Fall sollte zur Anzeige gebracht werden“, sagt sie. Gerade bei K.o.-Tropfen lässt sich die Gefahr kaum abschätzen. „Die unsichtbaren Tropfen verändern oft die Persönlichkeit, brechen den eigenen Willen und haben eine betäubende Wirkung. Sie sind super schwer von Alkohol zu unterscheiden“, erklärt Perlewitz.
Doch ob nun K.o.-Tropfen, Hinterherpfeifen beim Joggen, ungewolltes Grapschen im Club oder Angstgefühle beim Nachhauseweg in der Dunkelheit: Perlewitz findet, dass Rückzug nicht immer der einzige Weg sein sollte, denn „die Frauen trifft ja keine Schuld. Die Verantwortung trägt immer der Täter alleine.“
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