Harte Härtefallregelung
Schulanmeldung in Münster bleibt Zitterpartie
Münster
Wer an einer der städtischen Gesamtschule angenommen werden will, und noch keine Geschwister hat, die dort unterrichtet werden, braucht Losglück. Wohnortnähe und andere soziale Kriterien zählen nicht. 244 Kinder wurden abgelehnt.
Die beiden städtischen Gesamtschulen können sich auch in diesem Jahr vor Anmeldungen nicht retten: 83 Kinder musste die neue Mathilde-Annecke-Schule (Gesamtschule Münster Ost) abweisen, die Gesamtschule Münster Mitte sogar 161. Einer derjenigen, die leer ausgegangen sind, ist der zehnjährige Sohn von Agnes Dobrosielski.
Die alleinerziehende Mutter und ihr Sohn wohnen gleich um die Ecke an der Bäckergasse, die Mutter arbeitet Vollzeit an der benachbarten juristischen Fakultät. Doch die Nähe einer Schule zur Wohnung ist kein gerichtsfestes Kriterium für die Vergabe der Schulplätze. Und beim Losverfahren hatte Agnes Dobrosielski Pech.
Nöte der abgelehnten Familien
Darüber ärgert sich die Mutter, genauso wie darüber, dass andere soziale Aspekte bei der Vergabe der Schulplätze keine Rolle spielen. Vollzeit, so sagt sie, arbeite sie auf Druck der Sozialbehörden. Dass sie, die ihren Sohn seit der Geburt allein aufgezogen hat, zwischenzeitlich unter einem Burnout litt und weiter psychisch angeschlagen sei, bleibe ebenso unberücksichtigt.
Das städtische Schulamt hat Verständnis für den Ärger der Mutter, die Rechtslage lasse aber keinen anderen Weg zu, heißt es dort.
Auch Kathi von Hagen, Schulleiterin der Gesamtschule Mitte, kennt die Nöte der abgelehnten Familien genau. Alleinerziehend zu sein, „ist noch kein Härtefall, „sagt sie. „Etwa ein Viertel der bei uns angemeldeten Kinder leben nur mit einem Elternteil im Haushalt“, und die genauen Umstände angemessen zu beurteilen, sei kaum möglich, fügt sie hinzu. Als „Härtefälle“ werden Anmeldungen von Kindern berücksichtigt, die während der Grundschulzeit ein Elternteil durch Tod verloren haben. Außerdem nimmt die Schule einzelne Flüchtlingskinder aus syrischen Kriegsgebieten auf – „weil wir uns durch die strikten Auswahlregeln sonst gar nicht an der Unterrichtung von Flüchtlingskindern beteiligen könnten“, so von Hagen. Fünf bis zehn Prozent der jährlich aufgenommenen 112 Kinder erhielten Zugang als Härtefälle.
Hoffnung: Die Nachrücker-Liste
Der Sohn von Agnes Dobrosielski steht nun für die Gesamtschule Mitte auf der Nachrücker-Liste. „Manchmal klappt es“, sagt Schulleiterin von Hagen, die häufiger beobachtet, dass manche Eltern den abgestempelten Anmeldebogen, den die Grundschulen den Viertklässlern aushändigen per Farbkopie vervielfältigen, und ihr Kind so – entgegen den Regeln – an mehreren Schulen anmelden. „Wenn dann eventuell doch ein Platz an einem Wunschgymnasium zur Verfügung steht, oder ein Kind partout mit allen Freunden zusammen auf eine andere Schule will, springen manche Familien wieder ab“, so ihre Erfahrung.
Von Hagens Hoffnung, dass der Anmeldedruck in diesem Jahr durch die bevorstehende Rückkehr der Gymnasien zu G 9 auf ihre Gesamtschule nachlassen werde, erwies sich als trügerisch. „Wir mussten auch knapp 30 Kinder mit Gymnasialempfehlung ablehnen“, erklärt sie.
In der vergangenen Woche ist an allen anderen städtischen weiterführenden Schulen die Anmeldung der Fünftklässler gelaufen. Agnes Dobrosielski hat es an nun der Klausener-Realschule am Aasee versucht. Die aber ist keine Ganztagsschule.
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