1. www.wn.de
  2. >
  3. Münster
  4. >
  5. Skulptur-projekte-muenster
  6. >
  7. Eine unangenehme Bank

  8. >

Jenny Holzer - "Bank"

Eine unangenehme Bank

Münster. Der Soldat ist schon von Weitem zu sehen. In einer Ecke des Schlossgartens steht er, aufrecht zwar, doch er posiert nicht als Sieger. Ein Moment der Nachdenklichkeit ist eingetreten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger: „Unseren gefallenen Kameraden zum ehrenden Gedächtnis – Königlich Preussisches 2. Westfälisches Feldartillerie Regiment No. 22 / Ob auch alles um uns sank, lasst uns nicht entarten! Haltet Schwert und Ehre blank! Unsere Toten – Warten! “ Hier wird dem Opfertod das Wort geredet.

wn

Moos hat sich in den Schriften gebildet, mit denen Jenny Holzer auf die Grausamkeiten des Kriege hinweist. Foto: Gerhard H. Kock

Daneben steht eine Bank. Auf der Sitzfläche ist ein englischer Text eingemeißelt. Wer ihn versteht, möchte sich nicht mehr ausruhen: „Leute gehen zum Fluss, wo das Grün saftig und der Boden morastig ist, um Gefangene zu erschießen, in den Fluss zu werfen und zu versenken. Schüsse töten Menschen, die immer hungrig waren. Jemand hatte sie angeblich oder auch tatsächlich bei einem Anschlag auf den Staat beobachtet. Jetzt treiben die Körper im Wasser, ihr Anblick versetzt die Freunde in Angst oder in Wut.“ Auch hier ist der Opfertod das Thema. Und Terrorismus. Und wie der Staat darauf regiert . . .

Jenny Holzer (Jahrgang 1950) veröffentlicht Texte, genauer: Die US-Konzeptkünstlerin aus Ohio bringt doppelbödige Parolen und Binsenwahrheiten in den öffentlichen Raum. Das verwirrt und schafft beste Voraussetzungen zum Weiterdenken. Ihre Sätze über Aggression und Krieg gelten stets aktuell, heute für Israel und Palästina und morgen vermutlich leider immer noch für anderswo oder auch dort.

Für ihre Arbeit für die „Skulptur 87“ hat sie die Erinnerungsstätte an den Ersten Weltkrieg ausgesucht. Dadurch entsteht eine anhaltende Spannung, die sich nicht flugs in Betroffenheitsbekundungen oder Abwehrreflexen aufzulösen vermag. Eine unangenehm direkte Frage an die eigenen Grenzen von Wut und Gewalt.

Münster und Militär, Münster und Kunst – es gibt viele unterschiedlichste Bezugspunkte in dieser Stadt. Wie meinte doch der kommandierende General des Königlich Preußischen VII. Armeekorps, Karl von Einem, der auf dem Zentralfriedhof begraben ist: „Münster ist ein geheimnisvolles Nest, mit keiner anderen Stadt des Deutschen Reiches zu vergleichen. Sich dort wohlzufühlen, ist nicht allen Menschen gegeben.“ Aber: Wilhelminische Bequemlichkeit und bürgerliche Harmonie ist in einer Garnisonsstadt, Uni-Stadt, Kunst-Stadt und Einkaufsstadt eben nicht für alle beglückend und bequem. Die Holzer-Bank ist ein solch unbequemer Ort der Unglückseligen.

Startseite