1. www.wn.de
  2. >
  3. Münster
  4. >
  5. Üben für den Ernstfall: Soldaten trainieren das Überleben im fremden Wald

  6. >

Deutsch-Niederländische Korps

Üben für den Ernstfall: Soldaten trainieren das Überleben im fremden Wald

Münster

Müssen Soldaten hinter feindlichen Linien das sichere Fahrzeug verlassen, sind sie plötzlich auf sich gestellt. Doch wie überleben für Stunden oder Tage nur mit dem, was sie am Körper tragen? Das ist Thema eines Manövers im Münsterland.

Von Gunnar A. Pier

Wie lässt sich im Notfall Feuer machen, um den eigenen Unterschlupf zu wärmen oder gar etwas Warmes zum Essen zu bereiten? Beim Manöver schauten sich die Soldaten in dieser Woche Techniken an, die im Einsatz überlebenswichtig sein können. Foto: Gunnar A. Pier

Das angenommene Szenario: Einsatz hinter feindlichen Linien, es gibt einen Zwischenfall. Die Soldaten springen aus dem Fahrzeug und sind ab sofort auf sich allein gestellt. Doch wie überleben für Stunden oder Tage nur mit dem, was sie am Körper tragen? Das trainieren Einsatzkräfte des 1. Deutsch-Niederländischen Korps in dieser Woche im münsterländischen Wald.

Zum 1. Januar übernimmt das Korps mit Sitz am Schlossplatz in Münster die Führung der Nato Response Force (NRF). Das bedeutet: Wenn die Nato irgendwo auf der Welt einen Einsatz beginnt, führt das münsterische Korps bis zu 100 000 Soldaten der Landstreitkräfte. Die ersten, die im Ernstfall losziehen, sind die Erkundungskräfte im so genannten „Operational Liaison and Reconnaissance Team“ (OLRT). Sie nehmen „im Einsatzraum Verbindung zu vorhandenen Kontakten auf, etablieren Verbindungen, sammeln und leiten relevante Informationen an das HQ weiter“, erklärt eine Sprecherin. Das bedeutet auch: Die OLRT-Kräfte sind vor Ort, wenn die Lage noch unklar ist.

Einsatz im fiktiven Feld

Diese Woche, Truppenübungsplatz nahe Münster-Handorf. Namen und Fotos wollen die Beteiligten nicht in den Medien sehen, zu groß ist die Gefahr, dass der Feind etwa im Kidnapping-Fall Persönliches über die Geiseln herausfindet. Also: „Der Teamleiter“ steht im fiktiven Feld und erklärt seine Ausrüstung. Verteilt in den Taschen seiner Kleidung und in seinem persönlichen tarngrünen Rucksack hat er unzählige Ausrüstungsgegenstände dabei, die ihm im Notfall helfen, ein paar Tage im Freien zu überleben. Feuerstein und Wasserfilter gehören ebenso dazu wie Ersatzunterwäsche, ein Messer, eine Fleecejacke und Rettungsdecken, mit denen sich notfalls ein zeltartiger Unterschlupf basteln lässt.

Das Fahrzeug verlassen

Denn wenn die Soldaten im Einsatzfall ihr schützendes Fahrzeug verlassen müssen, weil es durch Gegner beschädigt wurde oder es auch einfach nur einen Unfall gab, geht es darum: überleben, tarnen – und möglichst schnell zurück zu den eigenen Leuten kommen.

Das Manöver ist Teil der Vorbereitung auf die sogenannte Standby-Phase NATO Response Force (NRF) im Jahr 2023. Während des gesamten Jahres ist das Korps als Hauptquartier in Bereitschaft und kann auf Anfrage der NATO weltweit verlegt werden. Foto: Gunnar A. Pier

Manöver

Damit das gelingen kann, üben die rund drei Dutzend Spezialkräfte in dieser Woche nicht nur das Gerettet werden per Hubschrauber und die Orientierung mit Karte und Kompass am Kanal nahe dem Flughafen Münster/Osnabrück, sondern lernen auch die Grundlagen des Überlebens in der Wildnis: Welche Materialien im Wald lassen sich am Effektivsten mit dem Feuerstein anzünden? Mit einer Folie, die geschickt über Blätter im Baum gespannt wurde, lässt sich Feuchtigkeit zum Trinken sammeln, mit einem Wasserfilter so groß wie eine Thermoskanne, der in den olivgrünen Rucksack gehört, wird Flusswasser trinkbar. Ohne feste Nahrung, erklärt der Teamleiter, komme man nicht zuletzt durch das zu erwartende Adrenalin tagelang durch – ohne Wasser aber kaum einen Tag.

Eine Mullbinde, um den Stamm eines Baumes gewickelt, fängt Wasser auf und lässt es in eine Dose tropfen: Mit einfachsten Mitteln versuchen Soldaten im Notfall, Wasser zu sammeln.Eine Mullbinde, um den Stamm eines Baumes gewickelt, fängt Wasser auf und lässt es in eine Dose tropfen: Mit einfachsten Mitteln versuchen Soldaten im Notfall, Wasser zu sammeln. Foto: Gunnar A. Pier

„Eigentlich bräuchten wir schlechtes Wetter“

Im heimischen Wald haben die Soldaten das in dieser Woche selbst getestet. Dazu gehörten auch zwei Nächte im Freien. „Eigentlich bräuchten wir schlechtes Wetter, bei gutem Wetter kann das ja jeder“, sagt der Teamleiter – und es ist nicht ganz klar, wie augenzwinkernd er es meint. Aber klar ist: Was die Soldaten da üben, müssen sie notfalls auch im eisigen Winter oder unter sengender Tropensonne können.

Die Packliste

Bis zu 30 Kilogramm Ausrüstung tragen die Soldaten am Körper. Der Teamleiter hat es für das Foto einmal augepackt. Foto: Gunnar A. Pier

Bis zu 30 Kilogramm Ausrüstung

Gut zu packen, ist deshalb das A und O. Alles, was sie dabei haben, kann ihr Leben retten. „Aber alles, was sie dabei haben, ist auch Gewicht“, sagt der Teamleiter. 30 Kilogramm Material sind es schnell, die die Soldaten mit sich herumtragen. Trockennahrung, Säge und Verbandsmaterial inklusive. Einen Sinn für das Material zu entwickelt und als Team zusammenzuwachsen, war deshalb eines der Ziele des Manövers. Im Notfall muss alles wie von alleine gehen, und der Teamleiter ist gewiss: Alles Material nutzt nur dem, der auch „den richtigen Willen, den Biss hat“. Und dem, der beim Einsatz hinter feindlichen Linien den tarngrünen Rucksack nicht im Fahrzeug vergisst.

Startseite