Historische Postkarten
„Zeitdokumente“ zeigen Einschulung vor 100 Jahren
Münster-Coerde
Der „Ernst des Lebens“ beginn mit der Schule. Der alte Spruch ist geblieben, doch wie sah die Einschulung vor 100 Jahren aus. Ein Sammler aus Coerde hat die Antworten.
Das Foto des jungen Mädchens ist gut belichtet, alles ist scharf zu erkennen und könnte technisch auch aus dem 21. Jahrhundert stammen. Richtig ist aber, dass das Motiv über 100 Jahre alt ist und von 1921 stammt. Das Mädchen, fünf oder sechs Jahre mag es alt sein, stammt aus Chemnitz und zeigt voller Stolz die eigene Schultüte in die Kamera. Der Modegeist der goldenen 1920er-Jahre spiegelt sich im weißen Kleid, dem eleganten Hut und der passenden Umhängetasche. In weißen Lettern titelt die Postkarte: „Herzlichen Glückwunsch zum ersten Schultag.“
Weil diesen am vergangenen Donnerstag in Münster 2865 Jungen und Mädchen feiern durften, erinnerte sich Bernd Löckener aus Coerde an seine historische Sammlung alter Postkarten, die allesamt zahlreiche „I-Dötzchen“ zeigen.
Die älteste Karte ist von 1909 und damit bereits 113 Jahre alt. Seine Sammlung reicht bis in die Mitte der 1950er-Jahre. Dass die Standards sich zu heute stark verändert haben, ist dem geschichtsinteressierten Löckener klar: „Man sieht bereits auf den Bildern, dass das zwei völlig verschiedene Welten sind.“
1948 ohne Schultüte
Er selber erinnert sich an seine eigene Einschulung, 1948 war das und damals ohne Schultüte und Geschenke: „Dafür hatten wir drei Jahre nach dem Krieg einfach keinen Platz. Und heutzutage haben die Erstklässler ja schon die ersten elektronischen Geräte in ihren Tüten.“ Als Mitglied des Fördervereins des Stadtmuseums hat sich der 80-Jährige auch mit der Geschichte von Schultüten, die heute nicht mehr wegzudenken sind, beschäftigt: „Ab 1820 wurden diese erstmals in der Literatur erwähnt, seitdem verbreitete sich dieses Brauchtum immer schneller.“ Ein weiterer Entwicklungsschritt kam mit der Kommerzialisierung „Dann gab es Schultüten im ganzen Reichsgebiet.“
Mit zwei Porträts eingeschult
Aber natürlich noch nicht in dem Maße wie heutzutage. Während Bernd Löckener selber ohne Tüte, dafür aber mit zwei Porträts eingeschult wurde, besaß seine vier Jahre jüngere Schwester eine, die bis zur Hälfte mit Holzwolle gestopft war: „Damit war bereits die Hälfte gefüllt und darüber kamen dann die Geschenke“, schmunzelt der gebürtige Auerbacher.
Zurück zur Postkartensammlung: Diese stammt von Flohmärkten und aus Tauschbörsen. Für Löckener sind seine Fundstücke „echte Zeitdokumente“.
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