Tausende Münsteraner helfen forschen
Studie will die Entstehung von Volkskrankheiten erhellen
Münster
Es ist 12.35 Uhr im Studienzentrum der Nako am Pottkamp 17, und Senem Devletli klickt die letzte Antwort des Hunderte von Fragen zählenden Bogens an. Seit 7.30 Uhr ist die 34 Jahre alte Lehrerin aus Münster hier – an einem Tag ihrer Sommerferien. „Sonst hätte ich für eine so lange Untersuchung keine Zeit“, sagt sie. Aber mitmachen wollte sie schon, als sie den Brief der Nako mit der Bitte erhielt, sich an der bundesweit größten Gesundheitsstudie zu beteiligen. „Ich will die medizinische Forschung unterstützen“, sagt Senem Devletli – und jetzt nach einem Untersuchungs-Marathon weiß sie immerhin schon einmal, dass sie in vielerlei Hinsicht wohl ziemlich gesund ist.
Senem Devletli ist eine von 10 000 Münsteranerinnen und Münsteranern und eine von 200 000 Menschen in Deutschland, die bei der Nako-Gesundheitsstudie im Idealfall über mehrere Jahrzehnte beobachtet werden sollen. In Münster arbeitet seit Oktober 2014 eines der bundesweit 18 Studienzentren, in dem die per Zufall aus dem Einwohnerregister gezogenen Frauen und Männer zwischen 20 und 69 Jahren untersucht werden.
Die Nako-Studie
Die Studie wird vom Bund und den Ländern finanziert. Für die ersten zehn Jahre stehen 210 Millionen Euro für die 18 Studienzentren und für zentrale Einrichtungen zur Verfügung. Es werden gleichmäßig viele Frauen und Männer aus allen Altersgruppen zwischen 20 und 69 Jahren aus dem Einwohnerregister gezogen und untersucht. Am Ende sollen rund fünf Prozent aller Münsteraner aus der fraglichen Altersgruppe das Teilnehmerfeld stellen. In Münster ist die Gruppe der 65- bis 69-Jährigen statistisch schwach vertreten. Hier wird voraussichtlich jeder zweite Einwohner um die Teilnahme gebeten. Freiwillige Meldungen können nicht berücksichtigt werden. Die Zufallsauswahl bestimmt das Teilnehmerfeld.
Herz-Kreislauf-System, das Risiko für Gefäßkrankheiten, körperliche Leistungsfähigkeit und Vitalität, Gedächtnisleistung, Lungenfunktion, Fettverteilung im Körper, eine detaillierte Analyse der Bioproben: Wer, wie Senem Devletli, zu den 20 Prozent der zufällig ausgewählten Probanden für eine besonders gründliche Untersuchung gehört, kann sich noch im Studienzentrum Essen im Kernspintomographen untersuchen lassen. „Auch das nehmen viele wahr“, sagt Bettina Braun. Die Gesundheitswissenschaftlerin betreut das Studienzentrum Münster mit zwölf Mitarbeitern – medizinische Fachangestellte, Labor-Fachkräfte, studentische Helfer.
Die wissenschaftliche Leitung des Zentrums liegt bei Prof. Dr. Klaus Berger, Leiter des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin der Medizinischen Fakultät der Uni Münster. Sie beteiligt sich mit 25 Prozent an den Kosten des Studienzentrums – die Daten aus der Nako-Studie werden ein reicher Quell für medizinische Forschung, ist sich Berger sicher.
3000 Münsteraner haben sich in den bisher knapp zwei Jahren am Pottkamp jeweils mindestens etwa dreieinhalb Stunden lang untersuchen lassen. Das sind mehr Probanden als an den meisten anderen Studienzentren, aber Klaus Berger ist nicht ganz zufrieden. „Anfangs lief es schleppend“, sagt er, mittlerweile kommen mehr der Eingeladenen. Knapp 12 000 Münsteraner wurden eingeladen, etwa drei Viertel von ihnen haben sich nicht gemeldet oder abgelehnt. „Viele haben jetzt aus ihrem Bekanntenkreis von der Studie gehört, die Zustimmung wächst“, so Berger.
Und da war noch die Sache mit dem irreführenden Namen: „Nationale Kohorte“ – unter dieser Bezeichnung firmierte das Projekt anfangs. „Manche Angeschriebenen dachten dabei spontan an rechte Propaganda und warfen den Brief ungeöffnet weg“, erinnert sich Berger. Inzwischen heißt das Projekt schlicht „Nako-Gesundheitsstudie“. Elf Teil- nehmer werden zurzeit durchschnittlich pro Tag untersucht. Auch am Samstag – weil viele Berufstätige nur dann so viel Zeit haben.
Startseite